Normen zerstören ja – aber bitte kreativ und ohne Gewalt. Das ist das Credo des Spoken-Word-Künstlers Saul Williams, der am Freitag am Jazz Festival Willisau einer der Stars war.
Aber nicht etwa als Master of Ceremony vor einem sauber produzierten Beat oder mit einem DJ. Sondern zusammen mit einem der umtriebigsten Saxophon-Stars der kreativen Jazz-Szene: David Murray.
Schläge in die Magengrube
So eloquent und überlegt, fast scheu David Murray in der persönlichen Begegnung ist: Auf der Bühne ist er ein Hexenmeister, der jederzeit ein Pülverchen in seinen musikalischen Trank werfen und alles auf den Kopf stellen kann.
Auch seine Bandkollegen, Hamid Drake am Schlagzeug zum Beispiel oder der Bassist Jaribu Shahid: Alle sind sie Meister in der Kunst, direkt in die Magengrube zu spielen.
Keine Umgebung für einen Rapper, der vor allem sein Ego und seine schicken Klamotten in den Mittelpunkt stellen wollen würde. Ein ideales Arbeitsfeld aber für Saul Williams. Der fast 20 Jahre ältere David Murray ist für ihn ein Seelenverwandter.
«Hört jemand zu?»
Wie Murray will auch Williams mit seiner Kunst dringliche Themen zur Sprache bringen.
Den beängstigenden Aufstieg der Rechtspopulisten, dies und jenseits des Atlantiks. Ausbeuterische Konzerne. Die immer grössere Schere zwischen Arm und Reich.
«Alle Informationen sind da, und wir können reden, über Rassismus und Ungerechtigkeit und Neo-Faschismus. Aber hört jemand zu?» Saul Williams weiss: Um gehört zu werden, muss auch die Form stimmen.
Deshalb ist Poesie, deshalb sind Gedichte für ihn das perfekte Mittel, also die quasi ultimative Form von Design. Da steckt er alle seine Energie rein. Wie David Murray in seine Musik.
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Ein grosses Ganzes
Und sie war gut spürbar gestern, die Energie von Saul Williams und David Murray auf der Bühne in der Festhalle Willisau.
Die Band tönte (auch mit dem eingesprungenen Abel Calderon an den Tasten) eingespielt und frei. Magisch, wie sich manchmal die Akzente in der Rhythmus-Gruppe mit den Akzenten in Williams Texten verschränkten.
Vielleicht war nicht immer klar, warum Saul Williams gewisse Linien singen und nicht rappen wollte, wo er sich doch in seinen gesprochenen Texten so kraftvoll und mühelos bewegt. Aber die riesige Konzerterfahrung von David Murray machte auch aus diesen etwas schwächeren Momenten ein dramaturgisches Ganzes.