She did it her way: Das Leben der «wilden Hilde» war gespickt mit Dramen und Rückschlägen schlimmster Art. Aber «Deutschlands letzte Diva», wie der «Spiegel» sie nannte, hat sich davon nicht gross beirren lassen – und eine Weltkarriere hingelegt, die ihr als junger Frau die wenigsten zugetraut hätten: als Schauspielerin, als Sängerin und nicht zuletzt als Autorin.
Ihre unglückliche, von Krankheiten und Einsamkeit geprägte Kindheit hat Hildegard Knef (1925-2002) in ihrem Bestseller «Der geschenkte Gaul» mit lakonischer Schonungslosigkeit beschrieben. «Die Kinderjahre der Knef waren schwierig», bestätigt auch ihr Biograf Christian Schröder, Redaktor beim Berliner «Tagesspiegel».
«Hilde hatte ihren Vater schon als Baby verloren, die Mutter – Sekretärin bei Siemens – hat sich wenig um die Tochter kümmern können, das Mädchen wuchs zum Teil bei ihren Grosseltern auf und litt unter den verschiedensten Krankheiten, darunter an Kinderlähmung und verschiedenen Infekten, vor allem aber litt sie daran, nicht gesehen worden zu sein.»
Das Leben eines Showgirls
Ein Defizit, das die Knef später als Schauspielerin und Bühnenstar auszugleichen versuchte. Nach aussen hin gab sich die Chanteuse mit der markanten Stimme als selbstbewusste Allroundkünstlerin. In ihrem Privatleben war sie ein labiler, von Ängsten und depressiven Abstürzen belasteter Charakter.
Sie war zeitlebens starke Raucherin, flüchtete sich in Süchte und herausfordernde Beziehungen und litt unter einer neurotischen, ihr ganzes Leben überschattenden Angst, allein zu sein. Alles Ausdruck einer tiefen existenziellen Unsicherheit.
Es war nicht wirklich blumig
«Für mich soll’s rote Rosen regnen»: Diese Hoffnung hat sich im Leben der Knef nicht oft erfüllt, jedenfalls abseits der Bühne nicht. Dabei hat die Primadonna assoluta des deutschen Nachkriegsschlagers ihre Melancholien auf eindrucksvolle Weise künstlerisch fruchtbar gemacht, nicht nur, aber auch in ihren selbst getexteten Songs.
«Er war nie ein Kavalier», «Eins und eins, das macht zwei», «Von nun an ging’s bergab» – diese Knef-Hits sind längst Klassiker. Sie bildeten den Soundtrack einer Generation, die sich in den Niederlagen und Triumphen der Knefschen Biografie ebenso wiedererkannt hat wie in den frühen NS-Verstrickungen der Künstlerin – die Knef begann ihre Filmkarriere noch zu Zeiten der NS-Diktatur.
«Sie war ein Symbol für den Wiederaufstieg Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg», so ihr Verleger Fritz Molden in einem Interview zu Beginn der 2000er-Jahre.
Aus Problemen machte sie Poesie
Der Sänger und Chansonnier Michael von der Heide ist Knef-Fan seit seinem zwölften Lebensjahr. «Ich bin vor allem in ihre Stimme verliebt», gesteht der Musiker, der pünktlich zum 100. Geburtstag der Diva ein Album mit Knef-Songs eingespielt hat: «Knefs Stimme ist lasziv und tief zugleich. Man hört den Alkohol, man hört die Zigaretten, man hört die Krankheiten und Abstürze dieser Frau – und zugleich ist so unendlich viel Poesie in dieser Stimme: grossartig.»
100 Jahre nach ihrer Geburt ist Hildegard Knef mehr als nur eine nostalgische Erinnerungsfigur. Sie steht für eine deutsche Nachkriegskultur, die sich tastend neu erfand – verletzlich, ehrgeizig, widersprüchlich – und eben deshalb: bis heute viele Menschen berührend.