Der Film beginnt und endet mit Knefs ikonischem Song «Für mich soll’s rote Rosen regnen». Ein Lied als Lebensmotto.
Ein flammender Wunsch nach Erfolg, Glück und Liebe – erzählt mit leiser Trauer und einem Augenzwinkern, für das sie ihre Fans lieben. Doch die Fans kommen im Film nicht zu Wort.
Stattdessen schafft die Schweizer Regisseurin Luzia Schmid einen Hallraum aus Zeitdokumenten: Konzertmitschnitte, Interviews, Magazinartikel. Eine Collage, die wirkt.
Vom Trümmerfilm zur Broadway-Bühne
Der Film setzt bei der 19-jährigen Hildegard Knef an: traumatisiert vom Krieg, voller Lebenshunger. Die junge Schauspielerin wird zum Star des Trümmerfilms und will auch in den USA durchstarten. Dort wird sie so kurz nach dem Krieg aber ausgebremst.
Zurück im prüden Deutschland, sorgt sie mit «Die Sünderin» für einen Skandal. Der Film wird erfolgreich, Knef hingegen heftig kritisiert und arbeitslos. Sie flieht in die USA, wo ihr auf Einladung von Cole Porter der Durchbruch gelingt. Am Broadway feiert sie mit «Silk Stockings» Premiere und macht Porters «Love For Sale» bekannt.
Aus der «Trümmer-Hilde» wird die singende «Hildegarde Neff», so lautet ihr Bühnenname in den USA. Ihre Karriere beschreibt sie als «Berg- und Talfahrt» – eine Mittellage habe sie nie gekannt.
Knef erzählt sich selbst
Besonders eindrucksvoll: Knef kommt im Film selbst zu Wort. Aus dem Off hört man Passagen aus ihren Autobiografien. Klug, pointiert, mit trockenem Humor kommentiert sie Erfolge und Scheitern. Sie war nicht nur Künstlerin, sondern auch brillante Beobachterin. Immer eine Zigarette in der Hand, immer im Dialog mit sich selbst – und mit dem Publikum.
Ergänzt wird das Porträt durch Erinnerungen ihrer Tochter. Die erzählt von einer liebevollen Mutter, aber auch von einer Kindheit zwischen zwei Getriebenen: der Star-Mutter und dem Manager-Vater. Vom Unterschied zwischen echtem Alltag und inszeniertem Glück. Und vom wachsenden Druck, als die Mutter schwer an Krebs erkrankt. Die Medien begleiten auch diese Phasen gnadenlos.
Medienliebe und Medienhass
Regisseurin Luzia Schmid zeigt unkommentiert, wie ihre stets männlichen Interviewer Knef kleinreden und mit Suggestivfragen bedrängen. Diese stellt sich diesen Situationen mit Trotz und Genuss. Sie reflektiert in diesen Interviews ihr Leben ungeschönt – und unterhaltsam. Eine Fähigkeit, die sie auch zur begnadeten Texterin macht.
Der Motor ihres Lebens? Eine «männliche» Kraft, wie sie selbst sagt – ein unbedingter Wille, für sich einzustehen. In den patriarchalen Jahrzehnten zwischen 1950 und 1980 war das provokant. Knef wurde für diesen Willen bewundert, geliebt – und gehasst. Vielleicht erklärt das die Häme, mit der die Presse über sie herfiel.
Porträt einer frühen Feministin
«Ich will alles» erzählt von einer klugen, schönen und komplizierten Frau, die zum «Gegenstand der Presse» wird – und sich dieser bewusst darbietet. Vielleicht versessen auf Aufmerksamkeit, aber auch strategisch. Der Film zeigt eine frühe Feministin, die immer wieder scheitert – und immer wieder aufsteht. Ihre Resilienz berührt, inspiriert und hallt nach.
«Ich will alles» läuft ab dem 4. September im Kino.