Musste es auch noch einen Film über sie geben? Die gelben Smileys, zwinkernd, lachend, mit Sonnenbrille, die Herzen und Gegenstände: Sie überschwemmen uns.
Jeder hat eine Meinung dazu. Manche befürchten, dass unsere Kinder verlernen, Sprache zu benutzen. Warum diese Ängste? Schliesslich fing alles damals, vor mehr als 3000 Jahren, mit den ägyptischen Hieroglyphen an.
In der geschriebenen Sprache gibt es keine Toleranz
«Dass von einem Sprachverfall die Rede ist, verwundert nicht», schreibt Christa Dürscheid , Leiterin des Instituts für Deutsche Sprache der Universität Zürich, in ihrem Buch «Schreiben digital».
Beim Schreiben hätten wir sprachlichen Fehlern gegenüber viel weniger Nachsicht als in der gesprochenen Sprache. Ausserdem würden Emojis häufig auch anstelle eines Wortes verwendet. Bedeutet das also, dass unsere Sprache zunehmend bildhaft wird?
«Bilder sind immer vieldeutig. Sprache ist dazu da, möglichst eindeutig zu sein», entgegnet Anatol Stefanowitsc h, Sprachwissenschaftler der Freien Universität Berlin. Er befasst sich in seinen Publikationen oft mit Emojis.
Mittlerweile gab es Versuche, die Bibel in Emojis zu übersetzen. Herbert Melvilles «Moby Dick» wurde unter dem Namen « Emoji Dick » herausgegeben. Doch wer den ernsthaften Versuch macht, den Text zu enträtseln, wird schnell merken: Viele Bedeutungen sind nicht eindeutig geklärt. Wir verstehen oft nur Bahnhof.
Aubergine für Penis und Pfirsich für Gesäss
Viele der mittlerweile mehr als 2600 Zeichen haben unterschiedliche Bedeutungen. Am häufigsten werden die zwinkernden oder küssenden Smileys und Herzen benutzt. Sie stehen meist am Satzende und geben dem Text eine zusätzliche Bedeutung. Sie ersetzen Mimik, Gestik und Tonfall.
Die Bedeutung der gegenständlichen Emojis ist oft unklar. Der kleine, braune Haufen steht in Japan für Glück. In den USA ist die Aubergine ein zweideutiges Symbol: Sie steht für den Penis, der Pfirsich für das Hinterteil.
Emoji werden nicht grundlos verwendet
Die meisten gegenständlichen Emojis ersetzen jedoch keine Worte, sondern greifen die Nachricht noch einmal auf. «Komm vorbei, hab Kuchen gebacken», gefolgt von einem Kaffee- und Kuchen-Emoji, bedeutet nichts anderes, als was da bereits steht. Emojis werden sehr deskriptiv verwendet, könnte man meinen.
«Menschen machen in der Kommunikation nichts ohne Grund», erklärt Stefanowitsch. Mit dem Bild signalisiert man, ob die Nachricht wichtig ist – ohne, dass der Text gelesen werden muss. Oder ob sie auch später gelesen werden kann. «In der schriftlichen Echtzeit-Kommunikation erhält der Empfänger einen Hinweis, in welcher Situation ich mich gerade befinde.»
Ein Glas Milch als Zeichen der Rassenzugehörigkeit
Immer häufiger werden Emojis inzwischen benutzt, um Identitäten und Zugehörigkeiten zu demonstrieren. Den Antrag auf ein neues Emoji kann jeder beim Unicode-Konsortium stellen. So gibt es seit kurzem ein Emoji mit einer kopftuchtragenden Muslima. Politische Korrektheit also?
Für Stefanowitsch auch eine Gefahr. «70 Prozent der Muslimas in Deutschland tragen kein Kopftuch. Wie identifizieren die sich dann über Emojis? Wenn wir marginalisierte Gruppen immer auf gewissen Stereotype herunterbrechen, fühlen die nicht Stereotypisierten sich dann nicht doppelt ausgeschlossen?»
Ohnehin treibt die Identitätsstärkung mittels Emojis seltsame Blüten. So haben Mitglieder der Alt-Right, der amerikanischen Rechtspopulisten, eine Zeitlang das Emoji mit einem Glas Milch in ihre Usernamen eingefügt – aufgrund eines Missverständnisses, dass Asiaten und Afrikaner genetisch eine Laktoseintoleranz haben.
Mit dem Glas Milch wollte man seine weisse oder arische Herkunft demonstrieren. Mittlerweile wurde die Milch wieder ausgetauscht.
Weltsprache Emoji
Abgesehen von diesen Auswüchsen werden Emojis überwiegend positiv eingesetzt. Die Sprachwissenschaftler sind fasziniert vom Phänomen. Bereits kursieren Gerüchte, Emojis hätten das Potential zu einer neuen Weltsprache.
«Dann müssten wir erst einmal ihre Bedeutung klären», so Stefanowitsch. «In einem zweiten Schritt müssten wir ihnen eine Grammatik geben, festlegen wann sie Subjekt, wann Verb sind.»
Für die mündliche Kommunikation eignen sich Emojis ohnehin nicht. Es droht also weder ein Sprachverfall, noch werden Emojis zur Weltsprache.
Sendung: SRF 1, Kulturplatz, 15.11.2017, 22.25 Uhr