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Bild 1 von 4. Giovanni Segantinis «Alpweiden» – bildschirmfüllend und gestochen scharf: Dank Google Art Project und dem Kunsthaus Zürich möglich. Doch es geht noch näher ... Bildquelle: SRF/Kunsthaus Zürich.
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Bild 2 von 4. ... der Hirtenjunge lässt sich heranzoomen – und bleibt gestochen scharf. Bildquelle: SRF/Kunsthaus Zürich.
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Bild 3 von 4. Dank 1 Milliarde Pixel lässt sich fast grenzenlos ins Bild hineinzoomen. Bildquelle: SRF/Kunsthaus Zürich.
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Bild 4 von 4. So nah hat wohl selbst Giovanni Segantini sein Werk nie gesehen – sogar feinste Risse sind erkennnbar. Bildquelle: SRF/Kunsthaus Zürich.
Was für ein fantastischer Fundus an Gemälden und Objekten: grosszügig dargestellt, einladend, modern. Über 200’000 Werke kann man in hoher Auflösung nicht nur ansehen, sondern sogar herunterladen und weiterverwenden.
Ja, das Museum lädt unter dem Motto «Good Artists Copy, Great Artists Steal» sogar dazu auf, mit den Gemälden kreativ zu werden. Und sich zum Beispiel aus Rembrandts ein Armband zu schaffen. Das Amsterdamer Rijksmuseum macht eindrücklich vor, wie ein Museum die Digitalisierung für sich nutzen kann.
Mit dem Charme eines Werkverzeichnis
Wollen Museen ein neues, junges Publikum in die Ausstellungsräume locken, müssen sie ihnen online etwas bieten. Und was haben Museen Besseres zu bieten als ihre Sammlung?
Diese Erkenntnis setzt sich auch in der Schweiz durch – wenn auch spät. Immerhin sind inzwischen die meisten öffentlichen Kunstsammlungen online, viele ganz oder fast komplett: Kunstmuseum Basel, Fotomuseum Winterthur, Bündner Kunstmuseum, Kunstmuseum Luzern, Fondation Beyeler – um nur einige zu nennen.
Und trotzdem: Die Online-Archive nehmen sich verglichen mit dem Rijksmusem – gelinde gesagt – bescheiden aus. Die meisten versprühen den Charme eines Werkverzeichnisses.
Orte der Entschleunigung
Einen Schritt weiter ist das Kunsthaus Zürich. Es ist seit diesem Sommer beim Google Art Project dabei, als zweites Schweizer Kunstmuseum nach der Fondation Beyeler. Das Werk «Alpweiden» von Giovanni Segantini findet man nun in Gigapixel-Auflösung, eine Milliarde Pixel. Da kann man bis zum kleinsten Pinseltupfer heranzoomen und entdeckt gar feinste Risse in der Farbe. So detailliert hat selbst Segantini sein Bild nie gesehen.
33 Werke zeigt das Kunsthaus in der Google-Galerie. Für das Museum ist der Aufwand vergleichsweise klein: Es muss die Bilder im leeren Museum inszenieren, den Rest erledigt Google.
Trotzdem wird das Kunsthaus nicht die ganze Sammlung in hoher Auflösung online stellen. Denn erstens wäre das teuer, weil das Museum für Werke Bildrechte zahlt, bei denen das Copyright noch nicht erloschen ist. Und zweitens soll die Online-Galerie den Museumsbesuch nicht ersetzen, sondern im Gegenteil: neue Leute ins Museum locken.
«Museen sind ja auch Orte der Entschleunigung, Museen arbeiten mit Originalen, Leute sollen die Wirkung der Werke an Ort und Stelle wahrnehmen», sagt Björn Quellenberg vom Kunsthaus Zürich.
Das Digitale ersetzt das Original nie
Als eines der ersten hat das Kunstmuseum Luzern 2005 begonnen, seine Sammlung zu digitalisieren. Man kann sich auf einem Zeitstrahl durch Highlights der Sammlung klicken, dazu gibt’s sehr ausführliche Informationen zu Werk und Künstler.
Dereinst soll die komplette Sammlung online zu sehen sein. Trotzdem gibt’s auch Grenzen. Man zögert, die Gemälde hochaufgelöst wie beim Google Art Project zu zeigen, unter anderem wegen Copyrightfragen und der Angst, Besucher könnten zuhause bleiben.
Sammlungskonservator Heinz Stahlhut sieht das Online-Bild als Appetizer, um Leute ins Museum zu locken: «Das digitale Bild, so gut es auch sein mag, kann und sollte das Original nie ersetzen.»
Aargauer Kunsthaus: Lieber spät als nie
Ein Klick noch auf die Website des Aargauer Kunsthauses mit seiner laut Eigenaussage «wichtigsten Sammlung Schweizer Kunst». Erstaunlich: Kaum etwas von der stolzen Sammlung ist online zu sehen.
Links zum Thema
Durchaus selbstkritisch gibt man zu, den Moment verpasst zu haben. Das holt man jetzt nach: Im Dezember geht ein erster Teil der Sammlung mit 250 Werken online.
Doch wieso so spät? Museumsdirektorin Madeleine Schuppli sagt: «Der Aufwand ist sehr gross, das kann man nicht im Normalbetrieb nebenher erledigen.» Zwei Jahre hat das Aargauer Kunsthaus daran gearbeitet.
Grossen Wert legt man in Aarau auf die mobile Nutzung – der neue Webauftritt der Sammlung soll auch auf dem Smartphone gut aussehen. So dass man sich schon im Zug nach Aarau durch die Sammlung klicken kann.
Soviel ist klar: Eine gelungene Online-Galerie ist kein Ersatz für den Museumsbesuch, sondern im Gegenteil ein Ansporn. Das Amsterdamer Rijksmuseum beweist es: Die diesjährige Rembrandt-Ausstellung zog 520’000 Besucher an – ein neuer Rekord.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 19.10.2015, 7:20 Uhr