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Menschliche Organe in Tieren
Aus Kultur kompakt vom 31.07.2019.
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Experimente mit Stammzellen Japan erlaubt die Geburt von Mischwesen aus Mensch und Tier

Ein japanischer Forscher plant Experimente mit Mäusen und Ratten, deren Nachwuchs sowohl aus Tierzellen wie auch aus menschlichen Zellen bestehen soll. Hinter dem Experiment steht eine grosse Hoffnung: menschliche Körperorgane in Tieren heranziehen zu können – Organe, die in der Humanmedizin dringend benötigt werden.

Vor wenigen Tagen hat die japanische Regierung die Bewilligung für dieses Experiment erteilt. Stattfinden soll es an den Universitäten in Tokio und in Stanford. SRF-Wissenschaftsredaktorin Cathrin Caprez hat sich mit dem Forschungsvorhaben beschäftigt

Cathrin Caprez

Cathrin Caprez

Wissenschaftsredaktorin SRF

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Cathrin Caprez hat Chemie studiert und mehrere Jahre lang in der chemischen Analytik gearbeitet. Seit 2016 arbeitet sie als Wissenschaftsredaktorin bei SRF.

SRF: Wie genau soll das funktionieren – menschlichen Organe in tierischen Körpern?

Cathrin Caprez: Der japanische Professor für Stammzellenforschung, Hiromitsu Nakauchi, und sein Team arbeiten mit Embryonen von Mäusen und Ratten. Diese veränderten sie gentechnisch so, dass sie keine Bauchspeicheldrüsen entwickeln können.

In den Maus- oder Ratten-Embryonen soll sich eine menschliche Bauchspeicheldrüsen entwickeln – so die Hoffnung der Forschenden.

In diese Embryonen hinein injizieren die Forschenden dann menschliche Stammzellen. Das sind Zellen, die sich grundsätzlich zu jeder möglichen Art von menschlichem Gewebe entwickeln können. In den Maus- oder Ratten-Embryonen ohne Bauchspeicheldrüse soll sich also eine menschliche Bauchspeicheldrüse entwickeln – so zumindest die Hoffnung der Forschenden.

Weisse Ratte in einem transpareten Käfig.
Legende: Ratten-Embryone mit menschlichen Stammzellen dürfen neu in Muttertiere transferiert und von ihnen ausgetragen werden (Symbolbild). Getty Images / fotografixx

Versuche, menschliche Organe ausserhalb des menschlichen Körpers wachsen zu lassen, gab es ja bereits in der Vergangenheit. Was ist neu an diesem Forschungsprojekt?

Neu daran ist, dass diese so behandelten Embryonen erstmals in Muttertiere transferiert und von ihnen ausgetragen werden sollen. Das war bis vor wenigen Monaten in Japan noch verboten. Viele andere Länder haben gar noch striktere Regeln im Umgang mit solchen Embryonen.

Wie erfolgversprechend ist dieses Experiment?

Ein ähnliches Experiment ist Hiromitsu Nakauchi vor einigen Jahren gelungen. Damals hat ein Ratten-Embryo eine Bauchspeicheldrüse aus Mauszellen ausgebildet. Dieses Organ wurde dann erfolgreich in eine Maus transplantiert.

Generell ist die Forschung auf diesem Feld hoch umstritten.

Aber Menschen und diese Nagetiere liegen – evolutionär betrachtet – schon deutlich weiter auseinander. Ob es da auch klappt, wird sich erst noch zeigen.

Tiere mit menschlichem Zellgewebe im Gehirn, das klingt für viele Menschen beunruhigend. Wie sind denn die Reaktionen auf dieses Forschungsprojekt?

Der Entscheid aus Japan ist eben erst bekannt geworden – Reaktionen habe ich noch nicht viele gesehen. Generell ist die Forschung auf diesem Feld aber hoch umstritten.

Kritiker befürchten, dass durch solche Verfahren Chimären geschaffen werden – Mensch-Tier-Mischwesen mit unabsehbaren Fähigkeiten.

Einerseits gibt es allein in den USA mehr als 100'000 Menschen, die auf eine Organtransplantation warten – in der Schweiz waren es letztes Jahr knapp 1500. Für sie können neue Möglichkeiten in der Organzüchtung Überlebens-Chancen bedeuten.

Andererseits befürchten Kritikerinnen und Kritiker, dass durch solche Verfahren Chimären geschaffen werden, also Mensch-Tier-Mischwesen, mit unabsehbaren Fähigkeiten. Und es ist ethisch auch umstritten, ob Tiere allein dafür benutzt werden sollen, dass sie uns Menschen ein Organ liefern und dann sterben sollen.

Das Gespräch führte Patricia Moreno.

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