Die Künstlerin Rahel Oberhummer setzt ungewöhnliche Fotomodelle in Szene: Bakterien, Hefe- und Flechtenpilze. Diese leben verborgen in gefrorenen Böden weit über der Waldgrenze, auf 2960 Meter oberhalb von Pontresina.
Zu Beginn sind die Mikroorganismen unsichtbar. Doch wenn die Künstlerin sie in die Petrischale auf einen Nährboden aufträgt, fangen sie an zu wachsen und können mit dem menschlichen Auge wahrgenommen werden.
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Langsam ist der Pilz in dieser Petrischale erkennbar und verändert seine Farbe von Weiss zu Schwarz: Alle zwei Tage hat Rahel Oberhummer den Mikroorganismus fotografiert.
Entstehung aus dem Nichts
Das ist es, was die 29-Jährige so fasziniert: die Entstehung aus dem scheinbaren Nichts. «Manche Organismen verändern innerhalb weniger Tage oder Wochen ihre Form und ihre Struktur und manchmal sogar ihre Farbe», erklärt die Künstlerin.
Über vier Monate hat Rahel Oberhummer das Wachstum ihrer Mikroorganismen dokumentiert. «Mit meinen Fotos möchte ich den Leuten zeigen, wie schön Mikroorganismen sein können. Die meisten Leute verbinden mit ihnen nur Ekel und Negatives», sagt Oberhummer. «Vielen ist nicht bewusst, dass wir ohne Mikroorganismen gar nicht leben könnten.»
Nachhilfe in Mikrobiologie
Angefangen hat alles mit einem Fotowettbewerb, an dem die gelernte Grafikerin teilnahm. Ihr kam die Idee, Mikroorganismen künstlerisch in Szene zu setzen. «Ich hatte jedoch absolut keine Ahnung wie. Darum habe ich mich bei einer Mikrobiologin gemeldet.»
Vier Wochen lang konnte die Künstlerin in einem Labor im Wallis die Praktikantinnen und Praktikanten der Mikrobiologin begleiten. In dieser Zeit hat Oberhummer alles über Mikroorganismen gelernt: «Zum Beispiel in welcher Temperatur sie leben oder wie man sie in einer Petrischale zum Wachsen bringt.»
Was im Schweizer Permafrost schlummert
In ihrem Atelier in der Nähe von Lausanne stehen derzeit Schachteln, auf dem Boden gestapelt. Darin befinden sich ihre Fotomodelle: 25 unterschiedliche Bakterien, Hefe- und Flechtenpilze.
Die Mikroorganismen erhält sie von der
WSL
, der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft.
Hier erforschen Mikrobiologinnen und Mikrobiologen, welche Mikroorganismen im Schweizer Permafrost schlummern. Fast fünf Prozent der Schweizer Böden sind ständig gefroren.
Nachdem sie alle Mikroben fotografiert hat, bringt Rahel Oberhummer alle ihre Schachteln wieder zurück an die WSL.
Man weiss nicht, ob die Organismen vielleicht doch schädlich sind.
Die Forschenden sterilisieren die Mikroorganismen dann in einem Autoklaven, das ist einer Art Schnellkochtopf. Gut gereinigt kommen sie dann in den Abfall. Doch in Rahel Oberhummers Kunst leben die Mikroorganismen ewig.