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Warum Fledermäuse so alt werden
Aus Wissenschaftsmagazin vom 25.01.2020.
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Langlebige und gesunde Tiere Von Fledermäusen lernen, besser alt zu werden

Die irische Biologin Emma Teeling ist der Langlebigkeit von Fledermäusen auf der Spur. Erkenntnisse ihrer Forschung könnten den Menschen ein gesünderes Altern ermöglichen.

Zu ihrem Thema kam die Emma Teeling über einen Umweg: In ihrer Doktorarbeit wollte sie das Flugverhalten von Fledermäusen studieren. «Fledermäuse sind fantastische Flieger – die einzigen Säugetiere, die das können», sagt die Biologin.

Mithilfe ihres Hörsinns können sie sich im Dunkeln perfekt orientieren. Doch es war etwas Anderes, das die Doktorandin zu packen begann: die extreme Langlebigkeit der Tiere.

Fledermäuse werden auffällig alt

Fledermäuse werden über 40 Jahre alt. Das ist erstaunlich, denn in der Natur gilt: Kleine Tiere leben schnell und sterben jung.

Mäuse zum Beispiel werden höchstens vier Jahre alt. Anders die grossen Tiere: Der gigantische Grönlandwal lebt langsam und erreicht ein Alter von über 200 Jahren.

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Fledermäuse in der Stadt Zürich
Aus Schweiz aktuell vom 19.08.2008.
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Fledermäuse aber durchbrechen dieses Muster: «Sie gehören zu den kleinsten Säugetieren der Welt. Ihr Stoffwechsel bewegt sich sozusagen auf der Schnellspur des Lebens und doch werden sie sehr alt.»

Fledermäuse mussten also im Lauf ihrer Evolution Strategien entwickelt haben, um das Altern abzubremsen. Diesem Geheimnis ist Emma Teeling seither auf der Spur.

Mikrochip unter die Haut

Vor zehn Jahren fand die irische Biologin den perfekten Ort, um die Tiere draussen im Feld zu studieren: in der Bretagne. In einem kleinen Ort zwischen Rennes und Nantes ist die Organisation «Bretagne Vivante» aktiv.

Dort untersuchen Freiwillige – Genetikerinnen, Zoologen, Umweltwissenschaftlerinnen – die Lebensbedingungen des Grossen Mausohrs und anderer Fledermausarten. Seit 2010 fangen sie die Tiere jedes Jahr ein und setzen den Jungtieren einen Mikrochip unter die Haut ein. So wissen die Forschenden haargenau, wie alt jede einzelne Fledermaus ist.

Eine Grossaufnahme des grossen Mausohrs, auf dem die grossen Ohren gut zu sehen sind.
Legende: Das Grosse Mausohr ist eine der Fledermausarten, die von den Forscherinnen und Forschern untersucht werden. imago images / blickwinkel

Die Fledermäuse leben in den Turmgeschossen alter Kirchen. Nachts, wenn sie ausfliegen, nutzen die Forscher die Gunst der Stunde: Sie steigen hoch und locken die Tiere in die Falle.

Biomarker geben Auskunft über Alter

Auch Emma Teeling, inzwischen Professorin am University College in Dublin, fährt jedes Jahr in die Bretagne und hilft beim Fangen: «Wir wägen und messen die Tiere, untersuchen ihre Flügel, entnehmen zwei Tropfen Blut, stanzen eine winzige Gewebeprobe aus dem Flügel, der wieder nachwächst.» Dann bekommen die Fledermäuse Futter und Wasser – und werden wieder freigelassen.

Zu Hause im Labor in Dublin studiert die Biologin die gesammelten Daten. Sie und ihr Team suchen nach Biomarkern, die spezifisch sind für den Alterungsprozess – und sie sind fündig geworden (siehe Box).

Was beim Altern in den Zellen passiert

Box aufklappen Box zuklappen

Ein typisches Merkmal für das Altern ist der Zustand der Telomere in unseren Zellen. Telomere sind die Schutzkappen der Chromosomen: Sie verhindern – ähnlich wie das Plastikröllchen an den Enden der Schuhbändel – das Ausfransen des Erbguts. Telomere verkürzen sich mit jeder Zellteilung, bis die Zelle stirbt – zumindest beim Menschen. Anders bei den Fledermäusen: «Fledermaus-Telomere werden nicht kürzer!», sagt Emma Teeling.

Emma Teeling und ihr Team untersuchten das gesamte Erbgut von 150 Fledermäusen ­– alles Tiere, von denen man wusste, dass sie alt waren – und verglichen die Daten mit jenen von Hunden, Katzen und Menschen. Schliesslich stiessen sie auf eine ganze Reihe von möglichen Genen, welche die Langlebigkeit der Fledermäuse erklären könnten. «All diese Gene sind auch im Menschen vorhanden», sagt Teeling. Die Herausforderung werde darin bestehen, sie zu aktivieren. (ird)

Deshalb dürfe man hoffen, diese Erkenntnisse eines Tages in der Medizin zu nutzen, sagt Emma Teeling. Der nächste Schritt sei, Medikamente zu entwickeln, welche diese Anti-Aging-Gene auch im Menschen anschalten.

Es gehe nicht um ewige Jugend, betont die Forscherin, nicht darum, 200 Jahre alt zu werden. Sondern um ein gesünderes Alter. Ein Alter, das weniger belastet ist von Krebs, von rheumatischen Erkrankungen, Sehschwäche, Demenz und was alles in den späten Lebensjahren auf viele Menschen zukommt.

«Wäre es nicht wundervoll, wenn wir es machen könnten wie die Fledermäuse», sagt Emma Teeling: «Leben bis ins hohe Alter, ohne krank zu werden – und dann sterben.»

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