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Neue Ozonkiller gemessen - auf dem Jungfraujoch
Aus Wissenschaftsmagazin vom 06.06.2020. Bild: Keystone / Gaetan Bally
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Messung auf dem Jungfraujoch Neue Ozonkiller in der Luft entdeckt

Stoffe, die die Ozonschicht schädigen, sind verboten. Trotzdem entdecken Forscher immer neue Emissionen. Die Politik reagiere kaum, sagen sie.

Chemisch heisst der Stoff Dichlordifluormethan, technisch H-FCKW 132b. Ein recht simpel aufgebauter Kohlenwasserstoff, aber «eine neue Substanz, die das Potenzial hat, die Ozonschicht anzugreifen», weiss Martin Vollmer von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa in Dübendorf.

Seine Arbeitsgruppe hat die gasförmige Verbindung aufgespürt, in Luftproben ihrer Messstation auf dem Jungfraujoch.

Auch andere Stationen im internationalen Verbund AGAGE (Advanced Global Atmospheric Gases Experiment) haben inzwischen die Werte des Stoffes überprüft. Laut Vollmer werden demnach «weltweit etwa 1'000 Tonnen dieser Substanz jährlich emittiert, mit Anstiegsraten von einigen Prozenten pro Jahr. Das ist nicht zu vernachlässigen.»

Weniger Chlor, trotzdem Ozonkiller

H-FCKW sind zwar nicht ganz so gefährlich wie die klassischen Fluorchlorkohlenwasserstoffe FCKW. Sie enthalten weniger ozonschädliches Chlor und stattdessen an einigen Stellen im Molekül Wasserstoff (deshalb das «H»).

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Der Ozonkiller FCKW ist zurück
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Doch auch diese «teilchlorierten» Gase können bis in die Stratosphäre gelangen und dort die Ozonschicht angreifen, den irdischen Schutzschirm gegen die energiereiche UV-Strahlung der Sonne.

Neben H-FCKW 132b sind unlängst noch zwei weitere H-FCKWs in den Luftproben der Stationen aufgetaucht. Sie tragen die Nummern 31 und 133a und sind zum Teil von noch höherem Gehalt in der Atmosphäre.

Entwichen aus chinesischen Fabriken?

Woher kommen die schädlichen Stoffe? Vor zwei Jahren kam heraus, dass es in China neue Quellen für FCKW 11 gibt, einen der stärksten bekannten und längst verbotenen Ozonkiller.

Auch jetzt, im Fall von H-FCKW 132b, führen die Spuren laut Martin Vollmer wieder nach Asien: «Wir haben eine Messstation in Südkorea. Die Konzentrationen dort sind um einiges höher, wenn die Luft aus China anströmt.»

Die Vermutung ist, dass das H-FCKW bei der Herstellung von Kühlmitteln in Chemiefabriken als Zwischenprodukt anfällt und durch Lecks entweicht.

Ganze Palette von Schadstoffen

Bisher nicht bekannt ist, woher das FCKW 113a stammt. Auf rund 1'600 Tonnen jährlich schätzt der deutsche Chemiker Johannes Laube dessen Emissionen. Diesen Stoff hat er selbst entdeckt, bei Analysen von Luftproben an der University of East Anglia in Grossbritannien.

«Zwischen 2012 und 2017 hat diese Substanz in der Atmosphäre um 40 Prozent zugenommen», so Laube.

Inzwischen gebe es leider «eine ganze Palette» von Stoffen, die sich in der Atmosphäre tummelten, obwohl sie im Montreal-Protokoll von 1987 zum Schutz der Ozonschicht aufgeführt und damit verboten seien, sagt Empa-Forscher Vollmer. Bei manchen FCKW falle der Gehalt in der Luft «nicht so schnell ab, wie erwartet.»

Politik gefragt

FCKW und H-FCKW sind nicht nur Gift für stratosphärisches Ozon. Sondern es sind zugleich potente Treibhausgase – sie tragen also auch zur globalen Erwärmung bei.

Sollten die Vertragsstaaten des Montreal-Protokolls nichts gegen die neuaufgetretenen Emissionen tun, könnte das die Erholung der Ozonschicht verzögern, fürchtet Martin Vollmer.

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Dennoch reagiert die Politik nicht immer auf die Befunde der Forscher. Wie im Fall von FCKW 113a. Nach dem er den starken Anstieg nachgewiesen habe, sei er davon ausgegangen, dass Gegenmassnahmen ergriffen werden,sagt Johannes Laube. Aber: «Bis jetzt scheint das nicht der Fall zu sein.»

Radio SRF 2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 6.6.2020, 07:06 Uhr

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