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Sternschnuppenregen Die lange Nacht der Wünsche

In der Nacht auf den 13. August wird es Sternschnuppen regnen. Warum? Warum was wünschen? Und warum ist das alles Rotz?

Ich bin sozusagen ein Glücksfall: am 12. August in einem Reigen tanzender Sternschnuppen geboren.

Als Kind habe ich die Sternschnuppennächte an meinem Geburtstag wunschlos glücklich verschlafen. Lagen doch die meisten Wünsche bereits am Morgen in Geschenkpapier eingeschlagen auf dem Tisch.

Das hat sich mit den Jahren geändert. Meine Wünsche sind nicht mehr zu verpacken. Ich flüstere sie mit geschlossenen Augen in mich hinein.

Nicht mehr als Sternenrotz

Man könnte aber auch sagen, ich sei ein geborener Rotzlöffel: in einer Sternschnupfen-Nacht geboren. Denn Sternschnuppen sind nichts anderes als Sternenrotz. Auch Sternenschneuz, Sternensäubel oder Sternenreuspe genannt, wie das Grimmsche Wörterbuch aus dem 16. Jahrhundert verzeichnet.

Die Bezeichnungen entspringen der Vorstellung, dass Sternschnuppenfall beim Reinigen der Gestirne entsteht. Sternstundenabfall also. Nachglühender Müll, wie das Ende eines abgebrannten Kerzendochts – veraltet auch Schnuppe genannt.

Apropos «völlig schnuppe!»

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Die Redewendung «Das ist mir völlig schnuppe!» kommt nicht etwa aus der Astronomie. Sie bezieht sich auf «Schnuppe» in der veralteten Bezeichnung eines abgebrannten Kerzendochts. Verglüht ist ein Docht für den Kerzenschein egal, piepe oder eben: schnuppe.

Woher der Aberglaube kommt, dass beim Anblick von Sternenmüll Wünsche in Erfüllung gehen, ist unbekannt. Eine mögliche Erklärung: Menschen interpretierten Sternschnuppen als Dochte, die den Engeln beim Putzen der Himmelskerzen herunterfallen.

Engel putzen Himmelskerzen

Eine schöne Vorstellung, die wohl aus der Not geboren wurde. Im christlichen Mittelalter verstanden die Menschen Sternschnuppen als göttliche Mahnungen. Als Zuchtrute, die Gott am Himmel erscheinen lässt, um seine Worte durchzusetzen, wie der Prophet Jeremias im Alten Testament schreibt.

Auf einem alten Stich ist eine Sternschnuppe zu erkennen.
Legende: Ein Kupferstich aus dem Jahr 1680 zeigt einen gewaltigen Lichtschweif über Nürnberg. Getty Images

Womöglich wollten die Menschen der Angst etwas entgegensetzen – mit Segenswünschen. Woraus der Aberglaube entstanden ist, sich etwas wünschen zu dürfen.

Stern vom Himmel holen

In Italien wünscht man sich bis heute nicht einfach irgendwas. Italienerinnen sollen innerhalb von zwölf Monaten unter die Haube kommen, wenn sie inbrünstig in den Sternenhimmel schauen. Dabei eine Schnuppe sehen und ohne zu sprechen ans Heiraten denken.

Nicht unter die Haube, sondern unter den Kimono nehmen japanische Gemeinschaften aus Hawaii ihr Glück. Fällt eine Sternschnuppe in ihre Richtung, lüpfen sie den Kragen ihres Kimonos, sodass das Glück hineinfällt.

Nicht so viel Glück

Nicht so viel Glück haben bis heute Mongolen mit Sternschnuppen. Sie interpretieren diese als Seelen von verstorbenen Verwandten. Die Ureinwohner der Andamanen-Inseln, ein Naturvolk in der Bucht von Bengalen, sehen in den Schnuppen gar Fackeln, mit denen böse Geister auf die Jagd nach nächtlichen Spaziergängern gehen.

Die trockene Wahrheit: Sternenstaub

Tatsächlich kann das mit dem Wünschen funktionieren: Konzentriert man sich besonders auf einen Wunsch, setzt man viel daran, dass dieser in Erfüllung geht. Damit kommt man der Erfüllung bereits ein ganzes Stück näher.

Leuchtende Klumpen bewegen sich auf die Erde zu.
Legende: Ein Meteorschauer bewegt sich auf die Erde zu – dabei entsteht ein Schnuppen-Feuerwerk. Getty Images

Auch die mittelalterliche Vorstellung vom Sternenmüll schlägt aus wissenschaftlicher Sicht gar nicht so fehl. Dringen Staubpartikel, Trümmerteile und ähnliche Abfall-Teilchen aus dem Weltall in die Erdatmosphäre ein und reiben sich an der Lufthülle, glühen sie durch die Reibungshitze auf.

Warum in dieser Nacht?

In Schwärmen tauchen leuchtende Sternschnuppen auf, wenn die Erde der Bahn eines Kometen sehr nahekommt. Im August ist das beim Kometen Swift-Tuttle der Fall, dessen Trümmerteile und Partikel in der Erdatmosphäre verglühen und bis zu 100 Sternschnuppen – den sogenannten Strom der Perseiden – aufleuchten lassen.

Ein Fest! Und ich sage es ja nie laut, aber: Ganz tief in meinem Innersten wünsche ich mir bei jeder Sternschnuppe, dass Engel in diesem Moment meine Geburtstagskerzen putzen – und mir wohlgesonnen sind.

Dran glauben hilft auf jeden Fall, das weiss ich aus Erfahrung. In diesem Sinne: Schaut auf!

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 10.08.2018, 17:10 Uhr.

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