April. In den Alpen liegt noch Schnee, doch die Murmeltiere strecken schon mal vorsichtig ihre Köpfchen aus dem Bau. Sie haben gerade sechs Monate geschlafen. Und denken jetzt vor allem an eines: Paarung.
Es muss zackig gehen – und das Timing muss stimmen
Gleich nach dem langen, tiefen Winterschlaf geht es zur Sache. Schliesslich soll der diesjährige Nachwuchs bald auf die Welt kommen, damit er bis zum nächsten Winter so viel wie möglich futtern und genügend Fettreserven aufbauen kann. Nur das Alphapärchen paart sich. Und das Timing muss stimmen: Das Weibchen ist nur an einem einzigen Tag pro Jahr empfänglich.
Gewusst?
Nach etwa einem Monat kommen die Babys nackt und blind zur Welt. Sie wiegen nur 30 Gramm. Das Wichtigste ist jetzt, sich den Bauch mit Gräsern und Kräutern vollzuschlagen. Und sich vor unbequemen Nachbarn in Acht zu nehmen. Steinadler, Fuchs und Wolf sind nie weit weg und auch deren Jungtiere haben Hunger.
Stellen die Murmeltiere Wachtposten auf?
Nein. Entgegen der allgemeinen Vorstellung gibt es keine Späher. Stattdessen warnt jedes einzelne Murmeltier seine Artgenossen, wenn es eine Gefahr sieht. Jungtiere müssen die typischen, unüberhörbaren Pfiffe übrigens erst üben. Und: Eigentlich sind es Schreie, keine Pfiffe. Der schrille Ton kommt nämlich aus dem Kehlkopf.
Mit ihrem 300-Grad-Panoramablick behalten Murmeltiere ihre Umgebung stets im Auge. Wachsamkeit hat oberste Priorität. Vielleicht lauert ja ein Wolf oberhalb des Baus. Er positioniert sich möglichst im toten Winkel des Murmeltiers. Und auch der Fuchs könnte geduldig irgendwo vor dem Loch warten. Steinadler machen im Frühsommer zwar noch vor allem Jagd auf neugeborene Steinböcke – sobald die Kitze aber zu schwer und zu schnell werden, suchen die Greifvögel leichtere Beute. Im Sturzflug können sie eine Geschwindigkeit von 200km/h erreichen.
Verstecken, wo immer es möglich ist
Schutz unter der Erde ist für das Murmeltier also überlebenswichtig. Das Revier einer Familie hat Dutzende Versteckmöglichkeiten. Zum Teil sind es einfache Löcher, zum Teil komplexe Bauten, bis zu zwanzig Meter lang, mit mehreren Zugängen und verschiedenen Kammern. Sie müssen jedes Jahr wieder instand gesetzt werden. Dazu gehört auch, verstorbene Artgenossen aus dem Bau zu ziehen. Denn nicht alle Tiere überleben die Wintermonate unter der Erde.
Winterschlaf: Murmeltiere machen Pipi-Pausen
Ab Ende September verkriechen sich die Tiere in ihren Bau. Sie haben ihn bis ins Detail vorbereitet: Mit kiloweise getrocknetem Gras bauen die Murmeltiere mehrere Meter unter der Oberfläche ein weiches Nest. Den Eingang stopfen sie mit Erde, Heu und Fell zu, um den Luftaustausch zwischen Bau und Aussenwelt zu verhindern. Dadurch steigt der Kohlendioxidgehalt – es entsteht quasi eine Narkose.
Der ganze Clan überwintert eng beieinander, um die Überlebenschancen zu erhöhen. Ihre Körpertemperatur sinkt während dieser Zeit auf 8 Grad Celsius, der Herzrhythmus reduziert sich von 100 auf 30 Schläge pro Minute. Alle paar Wochen wachen die Murmeltiere gemeinsam auf, um auf die Toilette zu gehen. Für die Pipi-Pause gibt's neben der Überwinterungskammer extra eine andere Kammer.
In den Bergen ist der Winter lang
Die Tierchen verlieren in dieser Zeit bis zu einem Drittel ihres Körpergewichts. Bis schliesslich im April der Zyklus wieder von vorne beginnt und die verschlafenen Murmeltiere vor allem zwei Dinge im Kopf haben: Fressen – und fortpflanzen.