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Ein Frühling der Superlative Viel zu warm, zu trocken und zu sonnig

Der Frühling 2022 wird in die Geschichte eingehen, nicht nur positiv. Von März bis Mai war es in der Schweiz rund 2,5 Grad zu warm, und die Sonne machte Überstunden im ganzen Land. Die Kehrseite der Medaille: Es war massiv zu trocken. Dies könnte im Sommer noch fatale Auswirkungen haben.

Badende springen von einem Steg bei Uttwil/TG in den Bodensee.
Legende: 20. Mai am Bodensse Am 20. Mai wurden am Bodensee 30 Grad Lufttemperatur gemessen, da lockte das Bade. Peter Zwingli

Der Frühling 2022 gehört zu den wärmsten in der Schweiz seit Messbeginn. Eindeutig wärmer war es nur 2011 und 2007. Ähnlich warm wie in den vergangenen drei Monaten war es 2017, 2018 und 2020. Im Mittelland war zudem der Frühling 2009 ähnlich warm wie dieser Frühling. In den vergangenen 3 Monaten lag die Temperatur fast in der ganzen Schweiz gut 2,5 Grad über der klimatologisch relevanten Norm der Jahre 1961 bis 1990. Am grössten war der Wärmeüberschuss im Osten der Schweiz, am geringsten war er im Tessin. Dort war es stellenweise nur gut 2 Grad wärmer als im langjährigen Schnitt. Der Grossteil des Wärmeüberschusses geht auf den März und vor allem auf den Mai zurück. Im Mai lagen die Temperaturen stellenweise sogar rund 4 Grad über dem langjährigen Mittel. Im April war es dagegen «nur» rund 1,5 Grad zu warm.

Blühendes Rapsfeld unter wolkenlosem Himmel am 2. Mai.
Legende: Raps blühte schon anfangs Mai Das sonnige und warme Wetter sorgte dafür, dass der Raps meist schon Anfang Mai blühte. Werner Zwahlen

Im Mai zeitweise sogar heiss

Im Mai wurden zum Teil sogar neue Temperaturhöchstwerte gemessen. An insgesamt 12 Messstation auf dem offiziellen Messnetz der Schweiz wurden am 20. Mai neue lokale Höchstwerte für den Monat verzeichnet. Der Tageshöchstwert wurde in Chur mit 33,8 Grad gemessen. Ausgerechnet in Chur reichte es aber nicht für einen lokalen Monatshöchstwert. Dieser datiert immer noch vom 25. Mai 2009 mit 34,0 Grad, Der nationale Mairekord liegt im Übirgen weiterhin bei 35,1 Grad, gemessen in Sitten, und wurde ebenfalls am 25. Mai 2009 verzeichnet. Dies war der wärmste Maitag in der Schweiz überhaupt. Die Maihitze lässt sich auch über die Zahl der Hitzetage nachweisen. In der Regel gibt es in Sitten und in Chur in jedem zweiten Jahr bereits einen Hitzetag im Monat Mai. In diesem Jahr wurde in Sitten und Visp schon an 4 Tagen 30 Grad erreicht oder übertroffen, in Chur an 3 Tagen. Ähnlich sieht die Bilanz im Norden aus. In der Regel gibt es dort alle 5 bis 10 Jahre einen ersten Hitzetag im Mai. In diesem Jahr gab es in Basel, Genf, im solothurnischen Niederamt und im untersten Aaretal schon 2 Hitzetage.

Sonnenuntergang über dem gefrorenen Silsersee.
Legende: Eisiges Engadin 5. März am Abend: In der folgenden Nacht sanken die Temperaturen im Engadin auf unter -20 Grad. Jeanette Brantschen

Kalte Phasen, aber wenig Frost

Vor allem im März gab es durchaus auch eisige Abschnitte. Am 8. März wurden in Tänikon im Kanton Thurgau -8,3 Grad gemessen. Am Tag darauf wurden in Stabio im Mendrisiotto -6,7 Grad registriert. Die tiefste Temperatur des Frühlings verzeichnete Samedan mit -22,6 Grad, dies am 6. März. Nimmt man für den Frost die Muldenlage des Flughafens Zürich als Referenz, so fiel der Frost im Frühling 2022 gnädig aus. Am 11. April gab es dort zum letzten Mal Luftfrost, am 29. April zum letzten Mal schwachen Bodenfrost.

Anfangs März gab es strengen Frost und die Gemüsekulturen im Seeland mussten geschützt werden.
Legende: Frost Anfangs März gab es strengen Frost und die Gemüsekulturen im Seeland mussten geschützt werden. Catherine Mathez

Die Sonne mag die Schweiz

In diesem Frühjahr machte die Sonne massiv Überstunden in unserem Land. An den meisten Orten gab es deutlich mehr als 600 Stunden Sonnenschein. In Bern. Genf und Sitten waren es sogar rund 700 Stunden. Für Rekorde reichte es allerdings nicht. 2011 und 2020 war es noch sonniger. In Bern gab es damals 769 bzw. 745 Stunden Sonnenschein. In Bern, St. Gallen und Zürich wurden etwa 50 Prozent mehr Sonnenstunden als üblich notiert, an den anderen Orten waren es zwischen 10 und 45 Prozent. In dieser Statistik liegen die Tessiner Stationen am Schluss der Tabelle mit nur rund 15 Prozent mehr Sonnenschein als sonst. Dies hat primär damit zu tun, dass es auch in anderen Jahren im Tessin sehr sonnig ist. Zum massiven Überschuss an Sonnenstunden hat vor allem der Monat März beigetragen, der teilweise der sonnigste seit Messbeginn war, so beispielsweise in Aarau, Luzern, Schaffhausen, St. Gallen und in Arosa. An vielen anderen Orten war es nach 2003 und 2012 der zweit- oder drittsonnigste März.

Niederschlag blieb Mangelware

Schon der Herbst 21 und der Winter 21/22 waren an vielen Orten zu trocken, nun war auch der Frühling deutlich trockener als sonst. In Genf und Sitten fielen in den vergangenen drei Monaten nicht einmnal 100 Millimeter Niederschlag. Nur im Norden und Osten der Schweiz hielt sich mit 60 bis 90 Prozent des üblichen Niederschlages die Trockenheit in Grenzen. Im Mittel- und Südtessin gab es dagegen nur 30 bis 40 Prozent des sonstigen Frühlingsniederschlages, in Genf und Sitten waren es knapp über 40 Prozent. Fakt ist aber auch: 2011 war es an vielen Orten noch trockener.

Am 6. März führte die Aare bei Muri wenig Wasser. Es hatte ausgetrocknete Kiesbänke.
Legende: Niedrigwasser Schon anfangs März führte die Aare wenig Wasser. Mit dem Schmelzwasser stabilisierte sich die Lage vorübergehend. Marianne Binggeli

Wird das fehlende Waser jetzt zum Problem?

In den vergangenen Tagen war immer wieder von einem möglichen Hitzesommer die Rede. Sollte es wirklich über längere Zeit heiss werden, würde aber vor allem das Wasser zum Problem. Einerseits ist es seit Monaten viel zu trocken, vor allem aber würde in diesem Jahr auch kaum noch Schnee als Wasserreserve zur Verfügung stehen. An den meisten Schneemessstation in den Alpen befindet man sich im Bereich des Minimums für Ende Mai. So betrug auf dem Messfeld des Weissfluhjochs die Schneehöhe am Samstag noch 35 Zentimeter. Für dieses Datum liegt der Minimalwert bei 35 Zentimetern, der Tiefstwert wurde also egalisiert. In der Regel hat es am 28. Mai noch 1,4 Meter Schnee auf dem Weissfluhjoch. Dies bedeutet, dass uns in den kommenden Monaten nur noch 1/4 der üblichen Schneewasserreserve zur Verfügung steht. Auch an vielen andern Orten liegen die Schneemesswerte im Bereich des Minimums, südlich der Alpen ist es bis in grosse Höhen sogar schon ganz ausgeapert. Es bleibt daher zu hoffen, dass in den kommenden Sommermonaten auch immer wieder kräftiger Niederschlag fällt. Ganz so gross wie im vergangenen Sommer sollten die Niederschlagsmengen aber auch wieder nicht sein.

Letzte Schneefelder auf der Grossen Scheidegg.
Legende: Kaum mehr Schnee Schon am 21. Mai hatte es auf der Grossen Scheidegg und den umgebenden Bergen kaum mehr Schnee. Heidi Flückiger

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