Das hydrologische Jahr dauert jeweils vom 1. Oktober bis zum 30. September des Folgejahres. Das nun zu Ende gehende Jahr war gekennzeichnet durch lange Trockenphasen, und erst im September gab es an vielen Orten grössere Niederschlagsmengen, die aber das Jahresdefizit nicht kompensieren konnten.
Teilweise nur 60 bis 70 Prozent des üblichen Niederschlages
In der Genferseeregion, im Rhonetal und teilweise auch im Tessin fielen nur 60 bis 70 Prozent das üblichen Jahresniederschlages. In Genf war es das fünfttrockenste Jahr seit Messbeginn, in Locarno das sechsttrockenste. Speziell war der ergiebige Niederschlag der letzten Septembertage. Diese verhinderten besipielsweise, dass auch in Sitten, Bern und Züroch das ablaufende Jahr zu den 10 trockensten gehört. Am geringsten fiel das Niederschlagsdefizit in der Zentral- und Ostschweiz aus. Dort waren auch im Sommer die Wiesen noch meist grün. Auf dem Säntis wurden 98 Prozent des üblichen Jahresniederschlages gemessen.
Die Trockenjahre liegen weit zurück
An den meisten Orten muss man in der Statistik weit zurückschauen um noch trockenere Jahre zu finden. In Genf waren 1921, 1884 und 1906 noch trockener, und nur 2011 tanzt etwas aus der Reihe. In Zürich wurden die 10 trockensten Jahre seit Messbeginn alle vor 1950 verzeichnet, fünf sogar im 19. Jahrhundert. Nur im Tessin gab es schon diverse Trockenjahre im 21. Jahrhundert, so 2003 und 2005, aber auch 2015.
Wasserbilanz sagt nicht alles
Die Wasserbilanz lautete Niederschlag minus Verdunstung gleich Abfluss. Weil in den Alpen der Schnee im Spätherbst meist als Schnee fällt und erst im Frühjahr oder sogar erst im Sommer zum Abfluss gelangt, dauert das hydrologische Jahr von Oktober bis September. Dieses Jahr weist die Wasserbilanz aber einige spezielle Faktoren auf. Auf Grund des vielen Sonnenscheins und der hohen Temperaturen, besonders im Sommer 2022, war die Verdunstung grösser als sonst. Dies verstärkte speziell während der Sommermonate die Trockenheit. Anderseits kamen in diesem Sommer noch grosse zusätzliche Wassermassen von den Gletschern dazu. Insgesamt verloren die Schweizer Gletscher 6 Prozent ihres Volumens im Laufe des hydrologischen Jahres 2021/22. Wie die Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften mitteilte war der Volumenverlust der Gletscher innerhalb eines hydrologischen Jahres noch nie so gross wie jetzt. Auch im Jahrhundertsommer 2003 war der Volumenverlust nich annähernd so gross.
Wenig Schnee, grosse Hitze und Saharastaub
Im hydrologischen Jahr 2021/22 kamen alle unglücklichen Komponenten zusammen. Schnee fiel im Winterhalbjahr 2021/22 vor allem vor den Festtagen. Entsprechend war die Schneeoberfläche im Frühling schon relativ dunkel und konnte rasch schmelzen. Damit noch nicht genug: Mitte März kam das grosse Saharastaubereignis dazu, dass die Schneeoberfläche weiter verfärbte. So wunderte es nicht gross, dass im Frühling schon rasch eine nahezu vollständige Ausaperung stattfand. Die Folge war, dass die Gletscher ohne Schneeauflage dem Hitzesommer 2022 ausgesetzt waren. Diese Komponenten führten zu einem Rekordabfluss aus den Gletschern, die in den glazialen Abflussgebieten die grosse Trockenheit etwas reduzieren konnten.
Trübe Aussichten
In diesem Sommer konnten die Gletscher, die grosse Trockenheit noch halbwegs kompensieren. Ab Mitte dieses Jahrhunderts wird das nur noch bedingt der Fall sein, da die Gletscher zu jenem Zeitpunkt so klein sein werden, dass sie fehlende Niederschläge nicht mehr ausreichend kompensieren können.