Das hydrologische Jahr dauert jeweils vom 1. Oktober bis zum 30. September des Folgejahres. Das in der Nacht zum Sonntag zu Ende gegangene Jahr 2022/23 war an vielen Orten trockener als im langjährigen Durchschnitt und trotzdem deutlich nasser als das Vorjahr.
Besonders im Westen war es zu trocken
Das hydrologische Jahr 2022/23 war zwar deutlich feuchter als das Vorjahr, die Niederschlagsverteilung sah aber ähnlich aus wie 2021/22. Besonders in der West- und Nordwestschweiz war es deutlich zu trocken. In Genf gab es nur knapp 80 Prozent des üblichen Jahresniederschlages. In der Calvinstadt ist es seit 2014 Jahr für Jahr trockner als im langjährigen Schnitt. Anders im Osten: Dort war das hydrologische Jahr 2022/23 teilweise sogar zu nass. Dies im Gegensatz zum Vorjahr, als es auch in der Ostschweiz zu trocken war. Allerdings war dort das Niederschlagsdefizit am geringsten. Ebenfalls mehr Niederschlag als im langjährigen Schnitt gab es teilweise im Mittel- und Nordtessin. Dabei vermochten die grossen Niederschlagsereignisse im August und September ein Niederschlagsdefizit noch abzuwenden.
Wasserbilanz sagt nicht alles
Die Wasserbilanz lautet Niederschlag minus Verdunstung gleich Abfluss. Weil in den Alpen der Niederschlag im Spätherbst meist als Schnee fällt und erst im Frühjahr oder sogar erst im Sommer zum Abfluss gelangt, dauert das hydrologische Jahr von Oktober bis September. Auch dieses Jahr weist die Wasserbilanz aber einen grösseren zusätzlichen Faktor auf. Auf Grund der starken Gletscherschmelze war der Abfluss im Sommer in den glazialen Einzugsgebieten massiv grösser als dies allein über den Niederschlag zu erwarten gewesen wäre. Im hydrologischen Jahr 2022/23 verloren die Gletscher gemäss der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften weitere 4,4 Prozent Volumen. Dies ist der zweithöchste Wert seit Beginn der systematsichen Aufzeichungen. Im Vorjahr gab es mit rund 6 Volumenprozent sogar eine Rekordschmelze.
Trübe Aussichten
In den vergangenen zwei Jahren konnte in den Alpentälern jeweils ein Niederschlagsdefizit in heissen Sommermonate durch vermehrten Gletscherabfluss kompensiert werden. Ab Mitte dieses Jahrhunderts wird das nur noch bedingt der Fall sein, da die Gletscher zu jenem Zeitpunkt so klein sein werden, dass sie fehlende Niederschläge nicht mehr ausreichend ausgleichen können.