Der Frühling 2021 war sicher keine Offenbahrung, allerdings rekordkalt war er auch wieder nicht. An vielen Orten in der Schweiz war es letztmals 2013, also vor «nur» 8 Jahren in der Schweiz kühler als jetzt. An einzelnen Orten muss man aber die Statistik schon mehr strapazieren, um einen noch kälteren Frühling zu finden. In Sitten war der ganze Frühling letztmals im Jahre 1987 noch kälter. Vergleicht man den aktuellen Frühling allerdings mit der klimatologisch relevanten Norm der Jahre 1961 bis 1990, dann war es auf der Alpennordseite nur rund 0,2 Grad zu kalt. Mit anderen Worten: Wir erleben jetzt einen Frühling wie er zwischen 1961 und 1990 völlig normal war. Wer jetzt über die aktuell tiefen Frühlingstemperaturen jammert, ist offensichtlich ein Anhänger der allgemeinen Erwärmung. Richtig lausig war der Frühling in Zürich im Jahre 1970 als die Durchschnittstemperatur bei 5,9 Grad lag, also nochmals rund 2 Grad tiefer als jetzt. Der Wetterfrust ist dennoch zu verstehen, war doch im letzten Jahr der Frühling der drittwärmste überhaupt, und auch 2018 und 2017 gehörten zu den fünf wärmsten Frühjahresperioden.
April und Mai zu kalt
Zwei Monate in Folge zu kalt gab es schon länger nicht mehr. Der Monat April war an vielen Orten auf der Alpennordseite der kälteste seit genau 20 Jahren, im Oberengadin seit 30 Jahren. Das könnte der Mai sogar noch übertreffen. Aktuell muss man in Zürich ins Jahr 1987 zurückgehen um einen ähnlich kalten Mai zu finden, also mehr als 30 Jahre. Allerdings dauert der Mai noch 10 Tage. Bis zum Monatsende sieht es zwar nicht nach einer dramatischen Erwärmug aus. Fakt ist aber auch, dass es bei einer aktuellen Mai-Durchschnittstemperatur von 10 Grad in Zürich wenig braucht, um den Monatswert anzuheben.
Andere Parameter sind im Lot
Eher etwas überraschend: Die Sonnenscheindauer entspricht an den meisten Orten der Norm oder liegt sogar darüber. In Zürich gab es bis jetzt schon 60 Stunden mehr Sonnenschein als in einem Durchschnittsfrühling, ähnlich in St. Gallen. Auch im Süden legte sich die Sonne ins Zeugs: In Lugano und Locarno zeigte sich die Sonne rund 50 Stunden länger als sonst zu dieser Jahreszeit. Auch bezüglich Niederschlagsmengen gibt es nur wenige deutliche Ausreisser nach oben. In Basel wurden rund 50 Prozent mehr Niederschlag verzeichnet als sonst im Frühling. In Zürich ist es genau umgekehrt. Dort fehlen 50 Prozent des üblichen Frühlingsniederschlages. Es geht rasch vergessen, dass der April massiv zu trocken war. Auch in Chur fiel nur rund halb so viel Niederschlag wie sonst im Frühjahr, in Lugano liegt der Wert sogar deutlich unter 50 Prozent. Im Tessin kam es auf Grund der Trockenheit anfangs April zu Waldbränden.
Müssen wir uns den Sommer schon abschminken?
Betrachten wir den Verlauf der Jahre mit einem kalten Frühling, so darf man eher einen warmen Sommer erwarten. Die grosse Ausnahme: 1987! Auf den letzten eindeutig zu kalten Frühling folgte auch noch ein grottenschlechter Sommer. Seither war kein Sommer mehr so kalt wie 1987. Dazu gab es 1987 dramatische Überschwemmungen im Urnerland und im Puschlav, im benachbarten Veltlin kam es zu einem Erdrutsch, der Bormio für Wochen vom restlichen Tal abschnitt. Sonst folgte aber auf einen kalten Frühling in der Regel ein warmer bis heisser Sommer. 2013 war es mehr als 2 Grad zu warm, und im Juli stiegen die Temperaturen lokal auf mehr als 37 Grad. 2006 folgte auf einen nasskalten Frühling grosse Hitze im Juni und im Juli. Am 1. August gab es ein Feuerwerksverbot. Danach war allerdings der August wieder eine nasse und kühle Angelegenheit. Auch 1983 folgte auf einen sehr bescheidenen Frühling ein heisser Sommer mit Temperaturen von stellenweise mehr als 38 Grad Ende Juli. Fazit: Voraussichtlich schlottern wir nun, um im Sommer kräftig zu schwitzen.