Afghanistan ist (noch) keine Ski-Nation. Trotzdem: Dank Schweizer Unterstützung kämpfen zwei afghanische Fahrer an der Ski-WM in St. Moritz beim Riesenslalom um Ruhm und Ehre. Am Donnerstag geht es für Alishah Farhang und Sajjad Huasini um die Qualifikation. Wir drücken den beiden «Exoten» fest die Daumen.
Der Begriff «Exoten» ist jedoch irrefühend. Zwar gibt es in Afghanistan weder Skilifte noch überhaupt eine klassische Wintersport-Tradition. Aus klimatischer Sicht ist das Land zudem mehr trocken als feucht mit Sommertemperaturen von über 50 Grad.
Das Land hat aber Berge. Hohe Berge! Der Noshaq, die höchste Erhebung an der Grenze zu Pakistan im Hindukusch-Gebirge, ist 7485 Meter hoch. Afghanistan hat somit auch Schnee. Viel Schnee. Manchmal zuviel. So berichteten die Medien anfangs Monat über Schneemassen in Afghanistan von bis zu drei Metern Höhe und von verheerenden Lawinenabgängen mit zahlreichen Todesopfern (NZZ Online, 5.2.2017).
Die beiden Fahrer sind sich also viel Schnee gewohnt. Und grosse Kälte erst recht.
Land der Klima-Extreme
Das Klima von Afghanistan ist äussert vielfältig und wohl eines der rauesten der Welt:
- Im Süden herrscht heisses Wüstenklima.
- Das zentrale Hochland ist geprägt von grossen Temperaturwechseln.
- Auf eisige (und trotzdem feuchte) Winter mit Tiefsttemperaturen bis -40 Grad folgen sehr heisse, trockene Sommer.
- Selbst zwischen Tag und Nacht können die Temperaturen (je nach Quelle) lokal um 40 bis 50 Grad schwanken.
- Das Hochgebirge wiederum ist das ganze Jahr über mit Schnee und Eis bedeckt.
Schnee für den Sommer
Niederschlag fällt in Afghanistan hauptsächlich im Winter und Frühling. Die Mengen sind aber grösstenteils sehr bescheiden. So fällt in den südlichen Wüsten und Steppen im Mittel kaum mehr als 100 Millimeter Regen pro Jahr, aber auch in Kabul am Hindukusch gibt es übers Jahr gesehen nur 370 Millimeter.
Zum Vergleich: Im Schweizer Mittelland fällt pro Jahr rund 1000 Millimeter Nass vom Himmel, und selbst der trockenste Ort (Ackersand/VS) erhält insgesamt immerhin 545 Millimeter.
Mit 1200 Millimetern ist der gebirgige Osten und Nordosten die nasseste Ecke von Afghanistan.
Allerdings bleibt es auch hier im Sommer und Herbst weitgehend trocken - das Nass kommt hauptsächlich im Winter. Dafür kommt dann alles aufs Mal mit massenweise Schnee.
Also versuchen die Afghanen diesen Schnee für den trockenen Sommer zu konservieren und betreiben «Snowfarming» zur Speicherung des wertvollen Trinkwassers.
( http://www.srf.ch/meteo/meteo-news/sonntagsstory-snowfarming-schnee-von-letzter-saison-nutzen )
Zu mild für eine Medaille?
Das aktuelle laue Winterwetter im Oberengadin steht somit in keinem Vergleich zu den harschen Bedingungen am Hindukusch. Ob unsere Ski-Cracks aus Afghanistan damit klar kommen? Sollten sie am Freitag eine Medaille verpassen oder sich am Donnerstag gar nicht für den Wettkampf qualifizieren können, dann gibt es wohl nur eine Erklärung: Das milde Wetter ist schuld.
Quellen:
beste-reisezeit.org
laender-lexikon.de/Afghanistan
wikipedia.org
Medizinische Länderkunde; Hrsg. Helmut J. Jusatz