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Mit Blick auf die Heim-WM 2026 Patrick Fischer: «Niemand ist realer als Arno Del Curto»

Der Trainer der Schweizer Eishockey-Nati spricht über wahre Stärke, Inspiration und die Entstehung von echtem Teamgeist.

Patrick Fischer blickt gewohnt optimistisch in die sportliche Zukunft. Im Jahr 2026 stehen mit der Heim-WM und den Olympischen Spielen zwei Highlights an.

SRF: Die WM 2026 findet in der Schweiz statt.

Patrick Fischer: Ich freue mich unglaublich, auch auf die Olympischen Spiele. Dort werde ich mein bestes Team zur Verfügung haben.

Wie vereint man die verschiedenen Charaktere in der Nati?

Ganz einfach. Man muss einfach sich selbst sein. Der beste Lehrer war für mich Arno Del Curto. Niemand ist ehrlicher und realer.

Männer sprechen ungern über Gefühle, dabei ist das wahre Stärke.

Del Curto hat Sie als Spieler einst nach einem unerlaubten Ausgang nicht bestraft, sondern nach Ihrer Rückkehr wieder in den Ausgang geführt.

Ich war damals 18. Er war nicht betupft, dass einer seine Regeln bricht, sondern wollte mich verstehen. Wir waren drei Stunden im Ausgang und haben nicht über Hockey gesprochen. Hätte er mich einfach bestraft, wäre es vielleicht zum Bruch gekommen.

Patrick Fischer

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Patrick Fischer hat als ehemaliger Spieler und aktueller Cheftrainer der Schweizer Nationalmannschaft das Eishockey in der Schweiz massgeblich mitgeprägt und zu historischen Erfolgen geführt. Seine Spielerkarriere war geprägt von Stationen in der höchsten Schweizer Liga sowie einem Abstecher in die nordamerikanische National Hockey League (NHL). Sein Talent und seine Führungsqualitäten auf dem Eis machten ihn zu einem respektierten Spieler. Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn schlug Fischer eine erfolgreiche Trainerkarriere ein. Seit Dezember 2015 steht er an der Spitze der Schweizer Nationalmannschaft und hat das Team zu einer festen Grösse in der Weltspitze geformt. Unter seiner Führung gewann die Schweiz bei den Eishockey-Weltmeisterschaften 2018, 2024, 2025 und als Assistenztrainer bereits 2013 die Silbermedaille. Diese Erfolge gelten als Meilensteine in der Geschichte des Schweizer Eishockeys. Fischers Führungsstil wird oft als modern, motivierend und strategisch versiert beschrieben. Fischer ist bekannt für seine ambitionierten Ziele und seine Fähigkeit, das Beste aus seinen Spielern herauszuholen.

 

Wie geht es Ihnen heute nach dem bereits vierten WM-Silber?

Überraschend gut. Ich habe es erstmals besser verdaut. Es überwiegt einfach der Stolz aufs Team und seine Leistung.

Hätten Sie anders coachen können?

Ich bin schon einer, der grübelt. Wir haben es verhauen. Die USA waren stark, aber an einem besseren Tag hätten wir gewonnen.

Hadern Sie mit verpassten Torchancen?

Als Coach trauerst du der Chance nach, aber als Spieler nimmst du zusätzlich die Schuld auf dich. Das ist noch schlimmer.

Einmal WM-Silber als Co-Trainer, dreimal als Chefcoach – können Sie sich noch motivieren?

Ja, weil das Motiv noch nicht erreicht ist. Wir möchten eines Tages zuoberst stehen.

Sind Sie der Richtige, um dieses Ziel zu erreichen?

Ich bin jedenfalls weiterhin überzeugt, dass die Schweiz Weltmeister werden kann.

Und falls es nicht klappt mit WM-Gold?

Wenn ich dereinst weg bin, hoffe ich, dass es heisst: Okay, es hat sich etwas bewegt.

Wie entstand der enorme Zusammenhalt der Nati?

Durch jahrelanges Vorleben unserer Werte.

Welche Werte?

Dankbarkeit für das Privileg, sein Land vertreten zu dürfen. Power und Leidenschaft in jeder Aktion, und doch nach aussen ruhig bleiben. Und Respekt gegenüber allen.

Wie wichtig sind im harten Eishockey softe Seiten?

Männer sprechen ja ungern über Gefühle, dabei ist das wahre Stärke. Wir haben alle ab und zu schwierige Tage. Einander dann aufzufangen, ergibt genau den Teamspirit.

Am Schluss ihrer Spielerkarriere haben Sie eine extreme Leere empfunden. Was war da so extrem?

Ich war immer noch Topskorer meines Teams, aber mein Feuer war erloschen. Also machte ich mich auf die innere Reise, um mich zu analysieren.

Mit welchem Effekt?

Ich kam mit viel mehr Klarheit und Ruhe zurück. Ich denke in Beziehungen, und dazu musste ich zuerst meine Beziehung zu mir selbst klären.

Sie waren in Brasiliens Urwald und bei Nordamerikas Ureinwohnern. Was fasziniert Sie an diesen Kulturen?

Die Einfachheit. Ihre Kirche ist die Natur. Dort beziehen sie Kraft. Mir hat das zugesagt. Was mich dorthin geführt hat, weiss ich nicht - aber ich bin unglaublich dankbar dafür.

Und wenn Sie als Esoteriker oder Spinner gelten?

Das ist okay. Jeder darf so leben, wie er es für richtig empfindet. Ich will einfach schöne Verbindungen kreieren – auch mit der Nati. Ich will mich inspirieren – und ich will mit dem Hockey inspirieren.

Das hat viel von Befreiung.

Absolut. Heute ändern mich Siege oder Niederlagen nicht mehr. Es gelingt mir immer besser, mich so zu geben, wie ich bin.

Das Gespräch führte Urs Gredig.

SRF 1, 19.7.2025, 22:25 Uhr ; 

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