Die evangelische Volkspartei hält 10 von 160 Sitzen im bernischen Grossen Rat, Schlagzeilen macht sie selten. Ihr Parteiprogramm basiert auf dem christlichen Glauben und auf den drei Worten «Glaube, Hoffnung, Liebe». Politisch positioniert sie sich in der Mitte. Aus eigener Kraft kann die EVP im Kantonsparlament wenig ausrichten, aber bei knappen Entscheiden kommt ihr manchmal die Rolle als Zünglein an der Waage zu.
Wir wollen Gräben zuschütten.
«Schon seit der Gründung vor 100 Jahren will die EVP die Gräben zwischen den sozialen Schichten zuschütten. Die gab es 1919 und die gibt es auch heute noch. Die EVP steht zwischen jenen, die das Kapital haben und den Arbeitenden. Zwischen jenen, die zu kurz kommen und jenen, denen es zu gut geht», sagt EVP-Grossrat Ruedi Löffel. Seit 17 Jahren sitzt er im bernischen Grossen Rat, beruflich setzt er sich beim Blauen Kreuz für die Alkohol- und Tabakprävention ein. Er zählt zu den bekannteren Exponenten der Partei.
Jedem politischen Entscheid der EVP lägen die Bibel und die christlichen Werte zu Grunde, sagt Ruedi Löffel. Deshalb stimme man bei der Sozial- und Asylpolitik eher links, in Fragen der Sterbehilfe oder der Fristenlösung eher rechts.
Die Bibel ist kein Rezeptbuch. Man muss aufeinander zugehen, auch in der Politik.
In der Partei eine gemeinsame Haltung zu einer Vorlage zu finden, sei nicht immer einfach. «Die Bibel ist ja kein Rezeptbuch, sondern sie enthält Hinweise dazu, wie das Zusammenleben gelingen könnte.» Es sei eine Frage der Auslegung und Interpretation. «Deshalb führen wir kontroverse Diskussionen untereinander. Wir suchen nach Wegen, um aufeinander zuzugehen. Auch zwischen den politischen Blöcken», so Löffel.
Zulauf dank Freikirchen
Seit Jahrzehnten hält sich die EVP konstant im bernischen Grossen Rat mit rund 10 Sitzen. Für den Politologen Georg Lutz macht dies die EVP zur grossen Ausnahme unter den Schweizer Kleinparteien. «In der Politik zählt die Grösse, diese verleiht einem Macht und schafft Aufmerksamkeit, gerade auch in den Medien.» Für die Parteimitglieder seien Zukunftsaussichten und Karrieremöglichkeiten wichtig, wie etwa ein mögliches Exekutivam. Parteien, die das nicht bieten könnten, würden in der Regel wieder von der Bildfläche verschwinden.
In der Politik zählt die Grösse.
Die EVP verfüge aber über eine stabile Basis. «Diese wählt die Partei aus einer christlichen Überzeugung heraus und macht es möglich, dass sich die Partei langfristig in der Politik hält.» Das Wachstumspotential der EVP sei begrenzt, aber durch den aktuell grösseren Zulauf bei den Freikirchen habe die Partei langfristig eine gute Perspektive, so der Politologe.
Der Spagat zwischen den politischen Polen komme bei der Wählerschaft der EVP gut an, sagt Grossrat Ruedi Löffel. «Wir sind eine Volkspartei und im Volk gibt es verschiedene Meinungen.» Ideologische Verbohrtheit gebe es bei der bernischen EVP nicht, bei jeder Sachfrage gebe es ein Einerseits und ein Andererseits.
Laut Grossrat Ruedi Löffel verzeichnet die bernische EVP derzeit eine Zunahme bei jungen Mitgliedern. Diese würden sich besonders für Umweltthemen oder soziale Belange interessieren und wollten sich für mehr Gerechtigkeit einsetzen. Dies seien die Kernthemen der EVP seit ihrer Gründung vor 100 Jahren.