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100 Tage CSS-Chefin «Ich habe es mir genauso vorgestellt»

Philomena Colatrella hat den Luzerner Krankenversicherer CSS in den ersten gut vier Monaten als CEO stark umgebaut. Das Ziel: mit effizienteren Strukturen den steigenden Kosten im Gesundheitswesen begegnen zu können. Das bedeutete viel Arbeit, Schwierigkeiten und unzählige Gespräche.

Philomena Colatrella

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Die Luzerner Juristin ist seit einem halben Jahr CEO der grössten Krankenkasse der Schweiz. Sie begann 1999 bei der CSS Versicherung als Juristin für die italienischsprachige Schweiz, wurde 2008 Leiterin Recht & Compliance und stellvertretende Generalsekretärin. 2012 wurde sie zur Generalsekretärin befördert.

SRF News: Philomena Colatrella, Sie sind seit 100 Tagen Chefin der CSS. An Ihrem ersten Arbeitstag, haben Sie uns erzählt, war Ihr Büro voller Blumen von Mitarbeitern, Kolleginnen und Kollegen. Wie viele Blumen hat es heute in ihrem Büro?

Philomena Colatrella: Ich bin gestern vor einem Jahr gewählt worden vom Verwaltungsrat und habe gestern wunderschöne Tulpen bekommen, in diesem Sinne hat es bei mir also immer Blumen.

Das heisst Sie sind nach wie vor beliebt, auch jetzt nach diesen 100 Tagen?

Ich glaube, die Leute wissen, dass ich gerne Blumen habe und schenken mir Blumen. Ob das gleich gestellt werden kann mit Beliebtheit, das kann ich so nicht bestätigen. Aber ich spüre, dass die Leute in den letzten 100 Tagen mitgezogen haben, die Veränderungen mitgemacht haben und mir das Gefühl gegeben haben, dass sie den Weg den ich eingeschlagen habe, natürlich mit ihnen zusammen, als richtig anschauen.

Sie sagen, Sie haben die CSS ziemlich umgestochen in Ihren ersten 100 Tagen als Chefin. Was haben Sie konkret gemacht?

Mir ging es darum, die Firma so aufzustellen, dass wir zukunftsfähig sind, dass wir effektiv den Wandel im Gesundheitswesen stemmen können. Das bedingte, dass wir die Strukturen anschauen mussten in den letzten sechs Monaten. Das habe ich natürlich nicht im stillen Kämmerlein gemacht, ich habe zusammen mit den Leuten geschaut was die bestmögliche Struktur ist. Als Beispiel der Konzernbereich «Kunde und Markt»: Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, dass wir unsere Kunden zufrieden stellen wollen und in diesem Sinne habe ich alle Kundenschnittstellen unter ein Dach gestellt. Und das hat effektiv dazu geführt, das kann ich nach 100 Tagen sagen, dass es klarer ist, welche Massnahmen ergriffen werden müssen, dass es klarer ist mit welchem Tempo und mit welchen zusätzlichen Aktivitäten diese Kundenzufriedenheit erreicht werden kann.

Für das Personal heisst das, so stelle ich mir vor, neue Jobs, allenfalls Jobwechsel oder gar keinen Job mehr zu haben. In der Versicherungsbranche wo gerne Leute arbeiten, die sicherheitsliebend sind, ist das ein Widerspruch.

Nein, das ist kein Widerspruch. Ich habe im Vorfeld dieser Neuorganisation rund 100 Gespräche mit Mitarbeitenden geführt. So gesehen habe ich vor der Reorganisation die roten Köpfe gehabt und konnte die Leute nachher mitnehmen. Wir haben seither keine Fluktuationssteigerung gehabt, das haben wir ausgewertet. Die Leute haben alle noch ihren Job.

Sie hatten einmal als Traumberuf angegeben, dass Sie Diplomatin, Dolmetscherin oder Dirigentin sein möchten. Diesen Mix, den können Sie jetzt voll umsetzen in ihrem Job als Chefin der CSS.

Ja, es ist effektiv so, dass es drei Disziplinen sind, die mir liegen. Die eine ist das Dirigieren, das Orchestrieren, das heisst wirklich die Zusammenhänge zu sehen und auch entsprechend lenken zu können. Das ist das ‚D‘ der Dirigentin. Dolmetscherin: ich glaube mir gelingt es in einer Gruppe von Leuten, auch in einer grossen Gruppe von Leuten als Übersetzerin zu fungieren, Verständnis zu schaffen, ein gemeinsames Verständnis herbei zu führen. Das letzte ‚D‘: ich entscheide sehr gerne und versuche auf dem Weg zum Entscheid so diplomatisch zu sein, dass ich medieren kann und entsprechend den Entscheid erzeugen, den ich möchte.

Das heisst Kommunikation ist in den letzten 100 Tagen extrem wichtig gewesen?

Kommunikation ist sehr wichtig gewesen, Kommunikation ist etwas, was mir wichtig ist und ich glaube in einer Führungsaufgabe, in einer solchen Führungsrolle ein entscheidendes Element.

Sie stellen den grössten Krankenversicherer der Schweiz unter neue Strukturen. Ein Thema bei Unternehmungen ist ja immer die Digitalisierung, was heisst das für eine Krankenkasse, Digitalisierung wie merkt man das?

Wir sind recht weit im Bereich der Digitalisierung, weil wir ein Massengeschäft betreiben. Die CSS rechnet rund 20 Millionen Franken Leistungskosten im Tag ab. Das heisst, die Automatisierung, die Digitalisierung von internen Prozessen hat bei uns eigentlich schon 1980 angefangen. Dann gibt es auch die Digitalisierung zum Kunden. Da geht es letztlich darum, dass man dem Kunden Eigenverantwortung gibt, dass die Leute sich selber therapieren können. Wir geben ihnen das Steuerungsinstrument in die Hände.

Sie sind die erste Frau im Versicherungsverband, Sie sind die erste Frau an der Spitze einer Versicherung. Ist es nach wie vor ein Thema, dass Sie sich auch gegenüber Ihren männlichen Kollegen bestätigen müssen?

Es ist sicher so, dass ich sehr gut aufgenommen worden bin und ich glaube die Akzeptanz ist sehr hoch. Ich stelle aber fest, dass es auch für meine Kollegen gewöhnungsbedürftig ist wenn eine Frau im Raum sitzt und sich auch entsprechend artikuliert. Aber ich glaube, das ist ein Prozess den man zusammen beschreiten muss und ich leiste gerne Pionierarbeit für andere Frauen.

Was haben Sie sich anders vorgestellt, bevor Sie angefangen haben?

Ich habe es mir genauso vorgestellt. Ich habe es mir schwierig vorgestellt und aufwändig. Ich habe sehr viel gearbeitet im letzten Jahr um der Organisation ein neues Kleid zu verpassen. Diesen Wandel in den Köpfen entsprechend anzuregen und in diesem Sinne habe ich es mir genau so vorgestellt. Ich muss sagen, ich bin in diesen drei ‚D’s, die Sie vorher erwähnt haben, bestärkt worden.

Sie leisten Pionierarbeit, Sie hatten einen steilen Einstieg und jetzt geht es um die Bestätigung dieser Strukturen. Sie haben Geduld für dieses Feintuning das es jetzt braucht bis tief nach unten, bis diese Prozesse alle sitzen. Das ist eine aufwändigere Arbeit als wenn man mit der grossen Schaufel umstechen kann.

Ich glaube, ich habe eine extrem grosse Ausdauer, das zeichnet mich aus als Mensch und ich bin sehr hartnäckig. Ich bin sicher jemand, der die Sachen zu Boden schlägt. Daher glaube ich, ich werde dran bleiben und entsprechend auch die Ziele erreichen wollen, die ich mir gesetzt habe zusammen mit den Mitarbeitenden und dem Verwaltungsrat.

Sie gelten als humorvoll. Den Humor haben Sie noch nicht verloren?

Ich habe den Humor nicht verloren, ich lache mindestens einmal pro Tag. Ich glaube es ist sehr wichtig, dass die Leute einem auch Lachen sehen und man entsprechenden Humor an den Tag legen kann. Nein, den Humor habe ich nicht verloren.

Das Gespräch führte Dario Pelosi.

Regionaljournal Zentralschweiz, 17:30 Uhr.

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