Aargau Solothurn - 60er-/70er-Jahre: Die Lust am Bauen ist heute eine Bürde
Schwimmbad Rothrist, Kantonsspital Baden und Kehrichtverbrennungsanlage Zuchwil: Es sind drei Beispiele für Bauten aus den 60er- und 70er-Jahren, die abgerissen und neu gebaut werden, weil eine Sanierung zu aufwändig wäre. Interessante Bausubstanz geht dadurch verloren.
Die Kehricht-Beseitigungsanlage AG (Kebag) will ihre Anlage in Zuchwil für 400 Millionen Franken neu bauen. Es ist die zweitgrösste Verbrennungsanlage der Schweiz. Sie ist genau 40 Jahre alt. Die Lebensdauer sei erreicht, sagen die Verantwortlichen. Die neue Anlage soll 2026 in Betrieb gehen.
Donnerstag, 25. Februar 2016: Rekordaufmarsch an der Gemeindeversammlung Rothrist. 661 Stimmberechtigte sind anwesend. Und sie stimmen mit klarer Mehrheit dafür, das Schwimmbad in ihrer Gemeinde abzureissen und neu zu bauen.
Diesem Entscheid war eine monatelange Diskussion über die Zukunft des Schwimmbades vorangegangen. Auf dem Tisch lagen die Varianten Totalsanierung, Stilllegung, nur Freibadbetrieb oder eben Abriss und Neubau.
Das Stimmvolk wollte den Neubau. Damit ist das Schicksal des 43-jährigen Baus entschieden. Er wird abgerissen. Eine Kommentatorin schrieb dazu auf der Online-Seite des «Zofinger Tagblatts»: «Dies ist eine absolut gute Entscheidung für die Region.»
Eine Welle von Sanierungen
Eine gute Entscheidung sicher für all jene, die gern in ein Schwimmbad gehen. Aus achitekturhistorischer und denkmalpflegerischer Sicht aber vielleicht auch ein problematischer Entscheid. Denn Rothrist ist kein Einzelfall. In vielen Gemeinden stehen grosse Sanierungsprojekte an. Nicht nur bei Schwimmbädern, sondern auch bei anderen kommunalen Anlagen wie Spitälern oder auch Kehrichtverbrennungsanlagen.
Alle diese Gebäude wurden in den 60er-Jahren geplant und in den 70er-Jahren eröffnet. Sie stehen für eine Aufbruchstimmung und dokumentieren den Stand der Baukunde der damaligen Zeit. Deshalb hätten diese Bauten auch durchaus einen Wert als Zeitzeugen, sagt der Aargauer Denkmalpfleger Reto Nussbaumer: «Es waren die Boomjahre. Man hat ausprobiert und mit neuen Bautechniken gearbeitet.»
Genau das erschwere aber heute den Umgang mit diesen Bauten: «Wir merken, dass diese Bautechniken wohl noch zu wenig erprobt waren und jetzt Probleme verursachen.» Es sei einfacher, ein Gebäude aus dem Mittelalter zu erhalten als eines aus den 60er-/70er-Jahren, sagt der Denkmalpfleger. In älteren Gebäuden seien die Techniken seit Generationen bekannt und bewährt. Deshalb könne man mit ihnen besser umgehen.
Substanzerhalt ist schwierig
Kantonsspital Baden
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Das Kantonsspital Baden wurde 1978 eröffnet. Es hat grossen Sanierungsbedarf. 2022 soll ein Neubau eröffnet werden. Der alte Bau wird danach abgerissen. Die Sanierung bei laufendem Betrieb würde zehn Jahre dauern. Das Spital befürchtet, dass es in dieser Zeit sehr viele Patienten an andere Häuser verlieren würde.
Wie schwierig es ist, ein Gebäude aus den 60er-/70er-Jahren zu erhalten, zeigt Reto Nussbaumer anhand der Abdankungshalle auf dem Friedhof Rosengarten in Aarau. Diese wurde fast nicht mehr gebraucht. Trotzdem entschied sich die Stadt Aarau dafür, die Halle zu erhalten. Sie wurde nämlich von Architekten der so genannten «Solothurner Schule» gebaut.
Sie besteht vor allem aus Glas und Stahl. Aus heutiger Sicht entsprach der Bau in keiner Art und Weise den energetischen Vorschriften. Auch waren viele Glasscheiben matt. Bei der Sanierung wurde das Glas ersetzt und die Wärmedämmung verbessert. Die Abdankungshalle sieht nun zwar noch aus wie früher, ist aber eigentlich ein neuer Bau.
Das ist für die Denkmalpflege eigentlich ein Problem, denn ihr geht es darum, möglichst viel der originalen Bausubstanz zu erhalten. «Wir haben Substanz verloren, durch die Renovation», sagt Denkmalpfleger Nussbaumer. «Aber dafür haben wir den Bau erhalten und man kann ihn multifunktional nutzen.»
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