Die Römisch-katholische Landeskirche Aargau macht künftig noch mehr für Menschen, die unter der Armutsgrenze leben. Das Kirchenparlament hat beschlossen, den kirchlichen Sozialdienst auszubauen. Bis 2021 wenden die Katholiken zusätzlich 462'000 Franken auf.
Unter anderem werden mit dem zusätzlichen Geld zehn Praktikumsstellen geschaffen. Die Stellen sind für Sozialarbeiter, die in der Fachhochschule ihre Ausbildung machen. Kirchenrats-Präsident Luc Humbel hofft, dass sie nach Abschluss der Ausbildung bei der Kirche angestellt werden können.
Sozialdienst als Hauptaufgabe der Kirche...
Das soziale Handeln für hilfsbedürftige Menschen sei «der eigentliche Tatbeweis des Christseins», begründet der Kirchenrat das verstärkte Engagement des Sozialdienstes. Mit dem Ausbau werde dieses zentrale Handelsfeld der Kirche nun «massiv aufgewertet und flächendeckend eingeführt», teilt die Landeskirche mit.
Den Armen helfen als zentrales Handelsfeld der Kirche? Das sieht die Kirchgemeinde Lenzburg grundsätzlich auch so. Trotzdem hat sie sich im Kirchenparlament gegen den Ausbau des Sozialdienstes gewehrt.
...oder des Staates?
Die Kirchgemeinde Lenzburg sieht keinen Bedarf nach einer flächendeckenden Einführung des kirchlichen Sozialdienstes. Zu unterschiedlich sei die soziale Verteilung der Bevölkerung in den Regionen. In der Region Lenzburg beispielsweise funktioniere das staatliche Sozialnetz.
Zudem finden es die Lenzburger nicht richtig, Aufgaben, welche dem Staat übertragen wurden, in die «Kirche» zurückzuholen. «Damit liefern wir dem Staat eine Vorlage zum weiteren Sparen», monierte der Vertreter der Kirchgemeinde Lenzburg im Kirchenparlament. Die Kirche solle viel mehr darüber wachen, dass der Staat seinen Auftrag erfülle.
Näher am Menschen als der staatliche Sozialdienst
Luc Humbel findet «den Reflex verständlich», sagt er auf Radio SRF zur Kritik aus Lenzburg. Es sei aber nicht so, dass die Kirche eine Aufgabe übernehme, die eigentlich der Staat erledigen müsse. Bereits heute sei der kirchliche Sozialdienst als Ergänzung zu jenem des Staates organisiert.
Im Gegensatz zum staatlichen Sozialdienst sei der kirchliche Sozialdienst näher bei den Menschen, leiste Beratung und Begleitung, aber keine finanzielle Unterstützung. Humbel sieht die katholische Kirche dabei in einer Vorreiterrolle, wie früher, als sie Spitäler und Schulen gründete – eine Aufgabe, die heute vom Staat übernommen wird.
Yvonne Rodel, Präsidentin der Kirchgemeinde Lenzburg, will auf Anfrage von Radio SRF vorläufig nicht weiter Stellung nehmen, da der zuständige Pfarrer und Seelsorger abwesend sei. Rodel betont allerdings, Lenzburg stehe trotz Kritik am Ausbau des Sozialdienstes voll zum diakonischen Auftrag der Kirche, also zum Leitgedanke «Es geschieht nichts Gutes, ausser man tut es».