Lange Arbeitszeiten, wenig Lohn und ständige Verfügbarkeit bei Notfällen – diese drei Faktoren machen den Beruf des Hausarztes unattraktiv. Immerhin konnte in den letzten Jahren das Problem der Notfalldienste entschärft werden.
Das Kantonsspital Baden richtete bei sich eine Notfallpraxis ein, in der Hausärzte arbeiten. Sie sind die erste Anlaufstelle für Patienten, die sofort behandelt werden möchten. Der Arzt entscheidet dann, ob er die Leute selber behandelt oder gleich ins Spital einweist.
Mit diesem Modell war es möglich, den Notfalldienst besser zu organisieren. Die Ärzte der Region lösen sich im Notfalldienst ab. Sie werden seither nicht mehr aus dem Bett geklingelt, um Hausbesuche zu machen. Das Notfall-Modell des KSB hat Schule gemacht. Auch im Kanton Solothurn gibt es unterdessen solche Hausarztpraxen an den Spitälern.
Es bleiben aber die langen Arbeitszeiten und der im Vergleich zu Spezialärzten geringe Verdienst der Hausärzte. Deshalb finden noch immer sehr viele Hausärzte keine Nachfolger, wenn sie in den Ruhestand gehen wollen. Ob Aargau oder Solothurn, überall hört man das Klagelied der Hausarztpraxen, die verschwinden. Und das Problem wird immer drängender: In den nächsten Jahren werden nämlich sehr viele Hausärzte das Pensionsalter erreichen und ihre Praxen schliessen.
Spitäler stellen die Infrastruktur
Retter in der Not sind immer häufiger Spitäler. Beispiel Däniken: Der Dorfarzt hörte auf und fand keinen Nachfolger. Die Gemeinde schaltete sich ein und wurde bei der Solothurner Spitäler AG (SoH) vorstellig. Die Bitte: Die SoH solle doch in Däniken selber eine Hausarztpraxis eröffnen.
«Wir haben uns das lange überlegt», sagt Eric Send, Mediensprecher der SoH. «Wir wollen auf keinen Fall die Hausärzte konkurrenzieren. Aber am Schluss haben wir der Bitte der Gemeinde entsprochen.»
Im Oktober 2012 eröffnete die SoH in Däniken die Gruppenpraxis Herrenmatte. Sie mietet die Räume und stellt das Personal an. In der Praxis arbeiten heute eine Ärztin und ein Arzt, einen Tag pro Woche hat eine Gynäkologin vom Kantonsspital Olten Sprechstunde.
Der Arzt und die Ärztin haben geregelte Arbeitszeiten, ein gutes Einkommen und sie müssen selber keine Investitionen tätigen in die teure Praxis-Infrastruktur. Das unternehmerische Risiko existiert für sie nicht.
Praxisleiterin Judith Husi ist überzeugt, dass dieses Modell Zukunft hat: «Die meisten Studierenden in der Medizin sind heute Frauen. Und diese schätzen es, wenn sie in einer Gemeinschaftspraxis arbeiten können. Dort sind auch Teilzeitpensen möglich.»
Hausärzte sind Zubringer für Spitäler
Auch im aargauischen Mettauertal gelang es einem Spital, eine Hausarztpraxis zu retten. In der Gemeinde Mettau ging der Dorfarzt in Pension. Einen Nachfolger fand er nicht. Per Zufall hörte Alfred Zimmermann, Chef des Regionalspitals Leuggern, vom Nachfolgeproblem.
Zimmermann bot dem Dorfarzt an, die Praxis zu kaufen und einen Nachfolger zu suchen. Und das gelang ihm auch dank seinen guten Kontakten zur Region Waldshut. Er kannte dort einen im Notfalldienst tätigen Arzt mit sehr guten Referenzen. Ihm konnte er die Praxis in Mettau schmackhaft machen.
Der Arzt ist in diesem Modell nicht vom Spital angestellt. Er mietet die Praxis vom Regionalspital und arbeitet auf eigene Rechnung. Im Rücken hat er aber das Spital, das ihm mit Rat und Tat zur Seite steht. Der Hausarzt ist auch Belegarzt am Regionalspital Leuggern. Das heisst, er kann Patienten, die er nach Leuggern überweist, dort auch betreuen.
Aus reiner Nächstenliebe engagieren sich die Spitäler natürlich nicht in der so genannten Grundversorgung. Alfred Zimmermann erklärt ganz offen, was seine Strategie ist: «Wir müssen um Patienten kämpfen. Deshalb sind wir froh, wenn uns der Arzt Kunden zuweist.» Er betont aber auch, dass der Arzt keinen Druck auf die Patienten ausüben darf. «Wir haben in der Schweiz die freie Spitalwahl. Die Patienten sind mündig und können frei entscheiden, wohin sie gehen.»