Nein, mit den Toten hat es Enver Fazliji eigentlich gar nicht. In einer Bibliothek hat er die Lehre gemacht, in Solothurn. Nicht im Traum hätte er daran gedacht, eines Tages Muslime zu bestatten. Und zwar bis zu 200 pro Jahr. Dass ihm dieser Job dereinst den Schlaf rauben würde und dass er dadurch gleichzeitig ein anderer, «besserer Mensch» würde, nein, das hätte er nie gedacht.
Heute arbeitet Enver Fazliji nur noch als muslimischer Bestatter. In Bellach hat er seine eigene Firma, wo auch sein Vater arbeitet. Auch sein Bruder hilft manchmal mit – und seine Mutter. Denn wenn eine Muslima stirbt, darf diese nur durch eine Frau gewaschen werden. Einer von vielen Unterschieden, zwischen einer muslimischen und einer christlichen Beerdigung.
Durch Todesfall zum Beruf gekommen
Doch davon wusste Enver Fazliji anfangs wenig. Bis er 20 Jahre alt wurde, und seine Grossmutter schwer krank. «Ich und meine Familien haben gemerkt, wie schwierig es ist, in der Schweiz alles auf eigene Faust zu organisieren», erklärt der gebürtige Kosovo-Albaner.
Denn während ein Muslim 24 Stunden nach dem Tod rituell gewaschen werden müsste und nochmals 24 Stunden später im Grab liegen sollte, dauert das alles bei einer christlichen Beerdigung länger. «Da habe ich mit meinem Vater geredet, ob wir nicht als muslimische Bestatter arbeiten sollten», erzählt Fazliji.
Heikle Situationen
Kein einfaches Unterfangen: In islamischen Ländern kümmert sich die Familie um alles, was mit der Beerdigung zu tun hat. Dass jemand von aussen dabei ist, ein Unbekannter, das ist unüblich. Anfangs – und manchmal auch heute noch – muss Enver Fazliji sehr vorsichtig sein, wenn er als Fremder in die Trauerfamilie kommt.
Immer häufiger wird der muslimische Bestatter angerufen, das Telefon klingelt zu allen Tages- und Nachzeiten. «In der letzten Zeit habe ich selten mehr als vier Stunden geschlafen», erklärt er. Die Arbeit als Bestatter, die Bilder die er sieht, die beschäftigen ihn heute nicht mehr.
Beliebte Schweizer Friedhöfe
Anfangs sei das noch schlimmer gewesen. «Bevor ich muslimischer Bestatter war, hatte ich Angst vor Toten», sagt der heute 31-Jährige. Eben – er habe sich den Beruf nicht wirklich ausgesucht. «Ich glaube sogar, der Beruf hat mich ausgesucht». Reue? Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. «Durch diese Arbeit habe ich das Leben mehr schätzen gelernt.»
Früher wollen viele Schweizer Muslime in der alten Heimat begraben werden. Dadurch gab es viele Überführungen von Muslimen, beispielsweise in den Balkan. Das ändert sich immer mehr, weil Muslime der zweiten und dritten Generation die Schweiz als ihre Heimat ansehen.
Olten ist bei Muslimen bekannt
Der Friedhof von Olten beispielsweise wird immer beliebter bei Muslimen der ganzen Schweiz. Hier dürfen auch Auswärtige begraben werden, was dazu führte, dass innerhalb der letzten anderthalb Jahre neun Personen dort begraben wurden. In den früheren gut elf Jahren waren es gerade mal vier muslimische Begräbnisse.
Fazliji hat alleine 2016 vier Muslime dort begraben und sagt offen, dass er auswärtigen Muslimen immer wieder Olten vorschlägt, wenn es in der eigenen Region keinen Friedhof mit muslimischem Grabfeld gibt. «Sogar ein Imam aus dem Wallis hat sich in Olten begraben lassen, weil es im Wallis keine Möglichkeit gab», erklärt er.
Auch Christen sind «Kunden»
Auch Christen gehören übrigens zu den Kunden von Enver Fazliji. Man vergesse häufig, dass es auch katholische Kosovo-Albaner oder Mazedonier gebe. Und die wenden sich manchmal lieber an jemanden, der ihre Kultur kennt, als an jemanden, der die gleiche Religion hat. «Die Religion ist hier nicht so wichtig, sondern eher, wie man miteinander umgeht und spricht», findet Fazliji.
Regionaljournal Aargau Solothurn, 17:30 Uhr