Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bittet die Bevölkerung um Mithilfe: Wer vermutet, dass in einem bestimmten Gebäude mit Radium gearbeitet wurde, soll dies dem Bundesamt melden. Zusätzlich wird die Unfallversicherungsanstalt Suva in ihren Archiven nachforschen, wie Vertreter von BAG und Suva am Dienstag in Biel erklärten.
Die «SonntagsZeitung» hatte eine Liste mit den Standorten von 85 früheren Ateliers veröffentlicht. Dort brachten Arbeiterinnen und Arbeiter radiumhaltige Leuchtfarbe auf die Zifferblätter – zum Teil in Fabriken, zum Teil daheim in der eigenen Wohnung. Manche Menschen erkrankten schwer, und einige Gebäude sind womöglich nach wie vor kontaminiert.
Für die heute in den Häusern lebenden Menschen seien die Gefahren für die Gesundheit zwar gering, betonen BAG und Suva. Trotzdem nehmen die Behörden die Liste ernst, wie Michel Hammans von der Suva betonte. Schliesslich seien die Daten aufgrund von Angaben aus dem Bundesarchiv zusammengetragen worden.
Aufwändige Recherchen
Welche Gebäude überhaupt noch stehen, sei abzuklären, sagte Hammans. Erhaltene Gebäude werden von der Suva kontrolliert, sofern Arbeitsplätze darin untergebracht sind – für Liegenschaften mit Wohnungen ist das BAG zuständig. Insgesamt geht es um rund 60 Standorte, wo laut der Liste vor Inkraftsetzung der Strahlenschutzverordnung im Jahr 1963 mit Radium gearbeitet wurde. Eine Bewilligung brauchte das nicht, deshalb fanden auch keine Kontrollen statt – und deshalb können die Behörden nicht mit Sicherheit sagen, ob die Liste vollständig ist.
An 25 weiteren Standorten im Jurabogen wurde ab 1963 – und bis in die 1970er-Jahre hinein – behördlich bewilligt mit Radium oder Tritium gearbeitet. Diese Standorte wurden regelmässig kontrolliert; nach Schliessung des Betriebs wurden die Gebäude untersucht und bei Bedarf saniert.
Info-Abend in der kommenden Woche
In Biel gab es 8 solche Standorte, die als «erledigt» abgebucht werden können. Die Liste aus dem Bundesarchiv nennt aber noch 21 weitere Liegenschaften. Deren Eigentümer und allfällige Mieter erhalten an diesem Mittwoch eine schriftliche Einladung zu einem Informationsabend am 19. Juni. Das BAG werde dann den aktuellen Stand der Dinge präsentieren, sagte Vizedirektor Roland Charrière am Dienstag vor den Medien. Pro Objekt kostet die Untersuchung rund 1000 Franken. Dafür kommt der Bund auf.
Putzen oder herausreissen
Werden Kontaminationen festgestellt, versucht man die Wände und Böden erst einmal mit chemischer Hilfe zu reinigen, wie Suva-Vertreter Hammans sagte. Wenn dies nicht reicht, braucht es eine umfangreiche Sanierung. So muss ein kontaminierter Fussboden dann herausgerissen und durch einen neuen ersetzt werden. Für den Wertverlust, den Liegenschaftsbesitzer allenfalls erleiden, kommt niemand auf. Das sei das Risiko von Altlasten, stellte Hammans fest.
Ehemalige Uhrenarbeiterinnen und -arbeiter, die gesundheitliche Schädigungen aufgrund von Radium geltend machen, können sich dagegen nach wie vor bei der Suva melden. «Sie haben immer noch Anrecht auf eine Entschädigung gemäss Unfallversicherungsgesetz», betonte Hammans. Die Suva werde in jedem Fall prüfen, ob die Schädigungen auf die Strahlungen zurückzuführen seien.
Weitere Fälle
Im Kanton Bern ist nicht nur Biel von Radium-Ateliers betroffen. Auch in Studen, Orpund, Tramelan und Tavannes wurde mit Radium gearbeitet, wie aus der Liste hervorgeht. In diesen Gemeinden bemüht sich der Bund ebenfalls um eine umfassende Information, wie am Dienstag beteuert wurde. Die Stadt Biel ihrerseits will eng mit dem Bund zusammenarbeiten, wie Gemeinderätin Barbara Schwickert versicherte.
Bereits habe sie eine Liste abgeliefert mit den Namen aller Eigentümer und Personen, die heute in den fraglichen Gebäuden leben oder arbeiten. Man werde auch die eigenen Archive zur Verfügung stellen, um möglichst alle Fälle zu klären.