«Wir spüren, dass die Bürger mehr mitbestimmen wollen», sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer (SPD) anlässlich der Demokratiekonferenz in Aarau. Die Schweiz habe bezüglich aktiver Beteiligung und direkter Demokratie viel Erfahrung, «da können wir etwas lernen».
Sie sei überzeugt von der repräsentativen Demokratie in Deutschland, stellte sie klar. «Aber wenn wir Elemente der direkten Demokratie übernehmen können, tut das unserer repräsentativen Demokratie sicher gut.» Rheinland-Pfalz gilt innerhalb Deutschlands als Vorreiter der direkten Demokratie. Die Ministerpräsidentin will die Hürden für Volksentscheide senken.
Heute braucht es im Bundesland zum Beispiel 300'000 Unterschriften für eine Volksinitiative, was fast 8 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Zum Vergleich: Im Aargau braucht es gerade einmal 3000 Unterschriften, das entspricht nicht einmal 0,5 Prozent der Bevölkerungszahl. Zudem sind in Rheinland-Pfalz alle Entscheide mit finanziellen Auswirkungen vom Initiativrecht ausgenommen. Auch zu diesem Thema wurde in Aarau lange diskutiert.
Kein «Export» des Schweizer Modells
Es gehe bei der Demokratiekonferenz nicht darum, das Aargauer oder das Schweizer Modell zu exportieren, sagte der Aargauer Landammann Brogli (CVP). Ziel sei vielmehr, sich gegenseitig von Erfahrungen inspirieren zu lassen. Die Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung erlebe derzeit in ganz Europa Hochkonjunktur, das hätten die Diskussionen rund um die Europawahlen gezeigt, sagte Brogli weiter.
«Der Blick über die Grenze kann zeigen, wie dieser Wandel aktiv mitgestaltet werden kann.» Beispielsweise würde Rheinland-Pfalz stark auf Bürgerbeteiligung setzen. «Man diskutiert Projekte mit dem Bürger, bevor man über diese entscheidet. Da können wir schon noch etwas darüber nachdenken», so Brogli gegenüber SRF.
In der Schweiz entscheidet das Stimmvolk zwar oft bei Abstimmungen, häufig kann es aber nur zwischen «Ja» und «Nein» wählen. Roland Brogli könnte sich eine Ausweitung der Vernehmlassungsverfahren vorstellen. Heute werden Gesetzesentwürfe nur Parteien und Verbänden zur Prüfung vorgelegt. Zusätzlich könnte aber auch das «normale Volk» um Mitsprache angefragt werden, so Brogli. Konkrete Vorschläge allerdings hat er noch keine im Köcher.
Von der Holschuld zur Bringschuld
Etwas lernen könnten die Schweizer Kollegen und Kolleginnen vielleicht auch vom Transparenz-Gesetz, das derzeit in Rheinland-Pfalz erarbeitet werde, sagte Dreyer in ihrer Eröffnungsrede im Grossratssaal vor Politikern und Wissenschaftlern beider Länder. Statt einer Holschuld des Bürgers soll es in Rheinland-Pfalz künftig eine Bringschuld durch die Verwaltung geben: Bürger sollen nicht nur Anspruch auf Information haben, sondern die Verwaltung soll von Anfang an transparent sein.
Das Thema ist auch in der Schweiz aktuell - erst am Mittwoch hatte der Kanton St. Gallen ein Öffentlichkeitsgesetz erlassen. Dreyer lädt zur zweiten Konferenz Die Demokratiekonferenz in Aarau war anlässlich eines Besuchs von Dreyers Vorgänger Kurt Beck (SPD) in der Schweiz vereinbart worden.
Demokratiekonferenz 2015 in Deutschland
Dreyer selbst kündigte noch am Donnerstag an, in Rheinland-Pfalz eine zweite solche Konferenz mit dem Kanton Aargau auszutragen. Der Aargau sei insbesondere über die Oberrheinkonferenz eng mit Rheinland-Pfalz verbunden, sagte Brogli. Auch Dreyer betonte die guten Beziehungen zum Aargau.