Der Kanton Aargau muss sparen, das Wort «Leistungsanalyse» ist in aller Munde. Vom Spargedanken sind mittlerweile alle Departement beseelt, auch das Bildungsdepartement.
Dieses besass bis vor kurzem einen alten Zirkuswagen, 12 Meter lang und 2.5 Meter breit. Angeschafft wurde der Wagen zum 175-Jahr-Jubiläum der Volksschule Aargau. In den letzten Jahren besuchte er als «Literaturwagen» viele Schulen im Kanton.
Verschenken statt Entsorgen
Eingerichtet als fahrende Bibliothek, erlebten viele Schulkinder im ehemaligen Zirkuswagen spezielle Schulstunden und Workshops rund um Bücher und Literatur.
Doch der Wagen wurde älter, die Farbe begann abzublättern. Und der Transport von Schule zu Schule war auch nicht gratis.
Der Kanton wollte den Wagen loswerden. Ihn zu verschrotten wäre schade gewesen. Die Idee: Entsorgen über einen Wettbewerb. Die Schulen des Aargaus wurden eingeladen, Vorschläge zu machen, wie der Wagen genutzt werden könnte.
Der «Gwunderwage» überzeugt
Gewinnerin des Wettbewerbs war die Primarschule Stetten. Sie wollte den Wagen als «Gwunderwage» verwenden. Er sollte ein aussergewöhnliches Schulzimmer sein und Teil eines Naturlehrpfades.
Nun war die Primarschule also stolze Besitzerin eines alten Zirkuswagens. Die Freude war gross – allerdings nicht für lange. Die Gemeinde legte sich nämlich quer. Ein Zirkuswagen auf dem Schulareal, das wäre eine permanente Baute, und für diese braucht es ein Baugesuch. Aber gäbe es auch eine Bewilligung dafür?
Gemeinde will das Geschenk nicht
Und wie heizt man den Wagen? Woher kommt der Strom? Braucht es Wasser? Wer bezahlt den Unterhalt? Viele Fragen – und die Antwort darauf des Gemeinderates: Aus «strukturellen Gründen» könne die Gemeinde den Wagen nicht betreiben.
Wohin also mit dem Gefährt? Nach Künten, das die Primarschule gemeinsam mit Stetten führt? Auch hier werden die gleichen Argumente aufgeführt wie in Stetten. Nun war guter Rat teuer.
«Reusspark als Retter in der Not»
Viele Telefonate später dann die Lösung: Der Wagen kommt nach Niederwil, in Stettens Nachbardorf, und dort zum Pflegheim Reusspark. Dessen Direktor Thomas Peterhans versteht sein Zentrum nicht einfach als geriatrische Anstalt, sondern als ein Ort, wo sich Jung und Alt, Krank und Gesund, begegenen können.
In seinem Heim hat er deshalb auch öffentlich zugängliche Orte eingerichtet, etwa einen Spielplatz, einen kleinen Tierpark und ein Gewächshaus, in dem alte Tomatensorten wachsen. Ein Zirkuswagen passt ganz gut in dieses Begegnungs-Konzept des Pflegheims.
Schulklassen sollen in den «Reusspark» kommen und spezielle Schulstunden erleben können. Peterhans: «Wir wollen mit dem Wagen einen Beitrag leisten dazu, dass Jung und Alt aufeinander zugehen und sich besser verstehen.»
Viele Ideen, keine Baubewilligung
Pflegheim-Direktor Peterhans kann sich vorstellen, dass zum Beispiel alte Menschen aus früheren Zeiten erzählen, dass Bastelnachmittage stattfinden oder dass Schulkinder betagte Menschen betreuen.
Doch zuerst muss der Wagen auf Vordermann gebracht werden. Peterhans weiss auch schon wie: Die Schulkinder der Region sollen dafür eingespannt werden. «Wir stellen den Maler und das Material. Die Schüler können dann schleifen und malen.»
Fast an alles hat Reusspark-Direktor Thomas Peterhans also gedacht. Nur etwas fehlt ihm noch, nämlich die Baubewilligung für den Zirkuswagen. Aufgestellt hat er den Wagen schon mal. Das Baugesuch will er nachträglich einreichen.