Das Bezirksgericht Lenzburg hat den 54-jährigen Mann freigesprochen. Die Verfahrenskosten übernimmt der Staat, heisst es auf Anfrage von Radio SRF beim Gericht.Die Parteien haben auf eine öffentliche Urteilsverkündung verzichtet. Das Gericht erachtet den Tatbestand der «Verleitung zum Selbstmord» als nicht erfüllt an.
Der Tatbestand «Beihilfe zum Selbstmord» hingegen sei erfüllt. Allerdings ist das nur strafbar, wenn die Beihilfe zum Selbstmord aus selbstsüchtigen Motiven erfolgt. Im vorliegenden Fall habe der angeklagte Sohn aber nicht selbstsüchtig gehandelt, also nicht aus Geldgier. Er habe nur den Wunsch seiner Mutter erfüllt, begründet das Gericht sein Urteil.
Grosses Interesse am Fall
Der kleine Gerichtssaal in Lenzburg war am Donnerstagmorgen gut gefüllt. Im Vordergrund Richter, Staatsanwaltschaft, Verteidigung und der mutmassliche Täter. dahinter drängten sich diverse Medienvertreter neben weiteren Zuschauern auf zwei Sitzbänken. Das Interesse am Gerichtsprozess hat mit den schwerwiegenden Anklagepunkten zu tun.
Das Urteil in diesem einzigartigen Fall hätte am Donnerstag fallen sollen. Der Fall sei aber schwierig zu beurteilen und brauche genügend Zeit für einen Entscheid, sagte die Gerichtspräsidentin am Ende des Prozesses. Deshalb wird das Bezirksgericht das Urteil erst am Freitag bekanntgeben.
Sohn fuhr Mutter zum Bahngleis
Die Anklage lautet: Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, er habe seiner Mutter Gift organisieren wollen. Und er soll ihr gezeigt haben, wie sie sich erhänge könne.
Auch habe er seine Mutter dazu gedrängt, sich auf ein Bahngleis zu begeben und sich dort vom Zug überfahren zu lassen. Laut der Anklage habe der Sohn seine Mutter zum Bahndamm gefahren und dort den Zaun niedergedrückt, damit sie es auch wirklich aufs Gleis schaffe.
Von Zug erfasst, aber überlebt
Bewiesen ist, dass die 90-jährige Frau vor vier Jahren in Lenzburg von einem Zug erfasst wurde. Sie überlebte zwar den Unfall, verlor aber einen Arm. Die Anklage verlangt eine Freiheitsstraffe von drei Jahren für den Mann. Zwei Jahre davon bedingt mit einer Probezeit von zwei Jahren.
Das Motiv sieht die Anklage darin, dass der Mann seine Mutter als grosse Belastung sah und sie deshalb loswerden wollte. Zudem wollte der Angeklagte als einziger Nachkomme an das Vermögen seiner Mutter kommen, so die Staatsanwaltschaft.
Der Wunsch nach dem Tod sei schon lange da gewesen
Die Verteidigung bestritt die Anschuldigungen und forderte vom Gericht den Freispruch von allen Anklagepunkten. Der Wunsch der 90-jährigen Mutter nach dem Tod sei schon lange vorhanden gewesen.
Der Angeklagte gab vor Gericht zu, dass er seine Mutter vor vier Jahren zum Bahngleis gefahren hatte, aber nur auf deren Wunsch hin. Im Anschluss sei die Frau aus freiem Willen und selbstständig auf die Bahngleise gegangen.
Er habe nur das Beste für seine Mutter gewollt
Am Ende des Gerichtsprozesses hatte der Angeklagte das letzte Wort. Er sagte, dass er sich den Ausführungen der Verteidigung anschliesse. Es täte ihm leid, was passiert sei. Er sei sich keiner Schuld bewusst. Er habe nur das Beste gewollt für seine Mutter.