661 Menschen: So viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer gab es laut Gemeindeammann Hans Jürg Koch noch nie an einer Gemeindeversammlung in Rothrist. «Wir haben nur 520 Stühle im Gemeindesaal. Über 100 Leute mussten den ganzen Abend stehen», entschuldigt sich der SVP-Mann nachträglich beim Stimmvolk.
Ein klares Bekenntnis zum Hallenbad
Das grosse Interesse an der ausserordentlichen Gemeindeversammlung zeigt: Das Hallenbad in Rothrist bewegt die Gemüter. Und offenbar ist es ein grosses Bedürfnis der Bevölkerung, dass dieses Angebot in der Gemeinde erhalten bleibt. Mit 625 Ja gegen lediglich 36 Nein hat das Stimmvolk einen Kredit von fast 20 Millionen Franken beschlossen. Das Hallenbad soll abgerissen werden und durch einen Neubau ersetzt.
«Man hat sich während mehr als 40 Jahren an dieses Angebot gewöhnt», erklärt Hans Jürg Koch die breite Zustimmung gegenüber SRF. Seit 1973 besteht das Hallenbad in Rothrist. Es verzeichnet über 100'000 Besucherinnen und Besucher jährlich. Zudem sei ein Hallenbad eine wichtige Einrichtung «für die Jugend, für das Alter und die Gesundheit», wie Koch zu bedenken gibt.
Keine Solidarität der Nachbargemeinden
Trotzdem: Eine Investition von fast 20 Millionen Franken bei einem Gesamtbudget von 35 Millionen der Gemeinde Rothrist sei schon ein «ganz grosser Betrag», gibt der SVP-Politiker zu. Deshalb hat Rothrist auch alle umliegenden Gemeinden - auch im Nachbarkanton Solothurn - um finanzielle Mithilfe gebeten. Vergeblich allerdings.
«Ich habe Verständnis dafür. Auch die anderen Gemeinden kämpfen mit finanziellen Problemen. Und auch sie machen geltend, dass man Lasten trage, von denen andere Gemeinden profitieren», sagt Hans Jürg Koch. Trotzdem wünscht er sich gesetzliche Grundlagen, um sogenannte «Zentrumslasten» besser ausgleichen zu können: «Aber das ist ein schwieriger Weg».
Viele Hallenbäder in der Region brauchen Sanierungen
Diese Erfahrung mussten auch andere Gemeinden in der Region bereits machen. In vielen Gemeinden stehen nämlich Hallenbäder aus den 70er-Jahren, die dringend saniert werden müssen. 13 von 15 Hallenbädern im Aargau seien sanierungsbedürftig, meldete die «Aargauer Zeitung» im Dezember.
Hallenbäder im Aargau
Und überall ist das Geld knapp. Deshalb überlegen sich Gemeinden wie Seon im Aargauer Seetal zum Beispiel, ob man das Hallenbad sogar schliessen soll. In Kestenholz im Kanton Solothurn wurde das Hallenbad bereits im Jahr 2014 geschlossen. In Schönenwerd stand die Schliessung 2012 zur Diskussion, wurde aber per Volksabstimmung verhindert. Inzwischen hat die Gemeinde fast fünf Millionen in die Sanierung investiert.
Balsthal: Hier droht die Schliessung
In Balsthal laufen die Diskussionen aktuell noch: Eine Studie spricht von bis zu sechs Millionen Franken, die investiert werden müssten in das Hallenbad Falkenstein. Die Gemeindeversammlung hat aber aufgrund einer früheren Offerte nur 1,7 Millionen bewilligt. Eine Spezialkommission soll bis im Juni klären, wie viel die Sanierung tatsächlich kostet.
Für den Gemeindepräsidenten Roland Stampfli ist aber klar: Wenn die Sanierung mehr als 1,7 Millionen verschlingt, dann gibt es einen schmerzhaften Entscheid. «Die Option ist die Schliessung», sagt Stampfli klipp und klar. Balsthal könne sich eine millionenschwere Sanierung schlicht nicht leisten. «Ein Hallenbad ist ein Luxus», gibt der ehemalige Lehrer zu bedenken. «Es gibt auch andere Gemeinden ohne Hallenbad, dort lernen die Schüler trotzdem schwimmen.»
Man müsste halt eine neue Lösung finden, so Stampfli. Mehr Schwimmunterricht während der Sommermonate im Freibad oder eine Vereinbarung mit dem Hallenbad im benachbarten Mümliswil zum Beispiel. Von einer Lösung à la Rothrist aber könne man in Balsthal nur träumen.
Hallenbäder im Kanton Solothurn
«Radikallösungen» nach 40 Jahren Betrieb
Diese Beispiele zeigen: Die Zeit der meisten Hallenbäder aus den 70er-Jahren ist eigentlich abgelaufen. Jetzt stehen die grossen Investitionen an. In vielen Gemeinden braucht es deshalb radikale Lösungen: Entweder die ersatzlose Schliessung wie in Kestenholz oder vielleicht auch bald in Balsthal. Oder aber Abbruch und Neubau wie in Rothrist.
Den Entscheid seiner Stimmbürger bezeichnet Gemeindeammann Hans Jürg Koch als «mutig». «Dafür erhalten wir ein ganz neues Bad, welches wieder für viele Jahre hält. Und wir machen nicht die gleichen Fehler wie in den 70er-Jahren», so Koch.
Im Frühling 2017 will man ihn Rothrist mit dem Abbruch beginnen - im Herbst 2018 soll das neue Hallenbad seine Tore öffnen. Derweil man in Balsthal froh ist, wenn das Hallenbad 2018 überhaupt noch in Betrieb ist...