Oberentfelden ist eine Art «Agglomerationsgemeinde» der Stadt Aarau. Die Gemeinde mit knapp 6700 Einwohnern hat strukturelle Probleme: Der Steuerertrag pro Kopf ist niedrig – es wohnen viele ärmere Leute im Dorf. Die Sozialhilfequote ist hingegen rekordverdächtig hoch: Oberentfelden liegt nach Aarburg und Spreitenbach auf Rang 3 im kantonalen Vergleich.
Kaum Spielraum für Gemeinden
Dazu kommen Schwierigkeiten, die alle Gemeinden haben: Ein grosser Teil des Gemeindebudgets ist «fremdbestimmt». Gesetzliche Auflagen von Bund und Kanton machten etwa 90 Prozent der Ausgaben aus, erklärte Gemeindeammann Markus Werder (SVP) an der Versammlung.
Die Steuersenkungen des Kantons und die höheren Gemeindebeiträge durch das Pflegegesetz hätten die finanzielle Schieflage der Gemeinde erst so richtig provoziert. Bei Schule, Spitex, Regionalpolizei oder Feuerwehr sei man an Verträge gebunden.
Düstere Zahlen in allen Varianten
Die Rechnung 2014 schliesst mit einem Defizit von 1,5 Millionen Franken. Ebenso düster sieht die Rechnung 2015 aus. Der Gemeinderat forderte in einer ersten Budget-Variante deshalb neu einen Steuerfuss von 116 Prozent. Das entspricht einer rekordverdächtigen Erhöhung um 12 Steuerprozente gegenüber dem aktuellen Fuss von 104.
Die Gemeindeversammlung im November hatte diesem Steuerfuss mit einer einzigen Stimme Unterschied sehr knapp zugestimmt. Ein Referendum war ergriffen worden und in der Volksabstimmung hatte die Steuererhöhung nicht den Hauch einer Chance: Knapp 2200 gegen etwa 800 Stimmen gegen die happige Erhöhung, so das Verdikt.
Auch der neue Vorschlag des Gemeinderats sorgte zu Beginn der Versammlung am Donnerstag noch für Unmut: 113 Prozent – «nur» noch 9 Prozent mehr, so lautet er. Daraus resultiert dann immer noch ein Defizit von einer knappen halben Million.
Hitzige Debatte in der Aula
Befürworter und Gegner der Steuererhöhung lieferten sich einen längeren verbalen Schlagabtausch. Immer wieder wurde dem Gemeinderat unterstellt, er prüfe mögliches Sparpotential zu nachlässig. «Haben Sie den Mut, trotz allem an den Ausgaben noch zu schrauben», rief ein Votant in den Saal.
Einer der Referendumsführer argumentierte, 110 Prozent wären genug. Er warf dem Gemeinderat vor, man habe die 20 Sparvorschläge aus den Reihen des Komitees kaum geprüft, was Gemeindeammann Markus Werder entschieden von sich wies.
Der Gemeinderat habe alle möglichen Sparmassnahmen geprüft, versicherte er in der zweistündigen Versammlung wiederholt. Aber: «Man kann eine Gemeinde auch kaputt sparen.» Und: «Für Familien ist Oberentfelden attraktiv. Aber es fehlen der Hügel und der See, um auch gutverdiendende Familien anzuziehen.»
Ein Ja mit Zähneknirschen
Kurzzeitig drohte die Gemeindeversammlung noch im Chaos zu versinken. Einer der Referendumsführer wollte per Antrag 15 Sparmassnahmen durchsetzen. Die Diskussion drehte sich plötzlich um eine Strassenwischmaschine, die beim Strassenverkehrsamt vorgeführt werden muss. Die Versammlung wehrte sich dann aber lautstark gegen die Idee, über jede einzelne dieser allfällig möglichen Massnahmen zu diskutieren und abzustimmen.
Schliesslich sprach die Versammlung dem Gemeinderat dann doch das Vertrauen aus. Mit 209 zu 89 Stimmen wurde der Budget-Vorschlag mit einem Steuerfuss von 113 Prozent angenommen. Gleichzeitig machten die Voten aus der Versammlung deutlich: Es wird erwartet, dass der Gemeinderat weiterhin jeden einzelnen Franken zwei Mal umdreht, bevor er ihn ausgibt.
Das werde man tun, versicherte Gemeindeammann Markus Werder. Aber es bleibt wohl ein anderer Satz in Erinnerung, den er an diesem Abend ausgesprochen hatte: «Wir wollen wirklich sparen. Aber wir können nicht zaubern.»
(Regionaljournal Aargau Solothurn, 06:32 Uhr)