Ende November 2009 tritt ein Pferd Jennifer Eigenmann mitten ins Gesicht. Sie erleidet schwere Knochenbrüche und ein Schädel-Hirn-Trauma. Die äusseren Verletzungen sind bald verheilt. Die hübsche 39-jährige wirkt unversehrt. Doch sie leidet an Konzentrationsproblemen und Kopfschmerzen.
Jahrelang versucht Jennifer Eigenmann ihren Alltag zu bestreiten, als ob nichts wäre. Als dies sowohl körperlich als auch psychisch nicht mehr geht, verliert sie im letzten Jahr ihre Arbeitsstelle und muss ganz neu starten.
Getrübte Selbstwahrnehmung
Die Suva schickt Jennifer Eigenmann in die Rehabilitationsklinik Bellikon hoch über dem Aargauer Reusstal. Hier ist man auf solche Fälle spezialisiert. Immer wieder macht Oberärztin Corina Teister die Erfahrung, dass Schädel-Hirn-Trauma-Patienten erst lange Zeit nach ihrem Unfall mit einer Therapie starten.
Nachdem die äusseren Verletzungen verheilt sind, dauert es bei vielen lange, bis sie merken, dass sie nicht mehr gleich belastbar sind wie vor ihrem Unfall: «Es liegt in der Natur der Verletzung, dass teilweise Hirnareale betroffen sind, die diese Selbsteinschätzung betreffen. Dies macht es am Anfang sehr schwierig, wenn die Patienten gar keine Einsicht haben, warum sie Therapie brauchen».
Dem Menschen als Ganzes gerecht werden
Seit 40 Jahren hilft die Reha-Klinik Bellikon Patienten beim Neustart nach einem Unfall. Aus der ganzen Schweiz schicken Spitäler ihre Schädel-Hirn-Trauma-Patienten hierhin. Als Erfolgsgeheimnis nennt Teister die ganzheitliche Erfassung des Patienten und das Team aus verschiedenen Spezialisten, welches eng zusammenarbeitet.
Bei Jennifer Eigenmann wurde zunächst analysiert, wie es der 39-Jährigen viereinhalb Jahre nach ihrem Unfall geht und was für ein Typ Mensch sie ist. Auf sie abgestimmt wurde dann ein Therapieprogramm entwickelt, mit Sport, Physiotherapie, Ergotherapie, Therapiesitzungen mit einem Hund aber auch Gesprächen mit Neuropsychologen.
Zentrales Ziel war es, herauszufinden wo die Grenzen der Patientin liegen, und was sie für berufliche Perspektiven hat. Dazu besuchte Jennifer Eigenmann auch eine eigens auf sie abgestimmte Berufs-Ergotherapie. Am Computer musste sie beispielsweise unvollständige Bestellungen fertig bearbeiten. Eine Tätigkeit die nahe an ihrem erlernten KV-Beruf lag.
Dabei wurde analysiert, wie lange sie sich konzentrieren kann und was ihr helfen könnte. Es stellte sich heraus, dass sich die 39-Jährige aufgrund ihres Unfalls nicht mehr längere Zeit vor dem Computer konzentrieren kann. Bei einer künftigen Arbeitsstelle sollte daher auf Unterbrüche und auch körperliche Arbeit geachtet werden.
Ein langer, aber auch ein guter Weg
Nach fünf Wochen Reha in Bellikon strahlt Jennifer Eigenmann wieder Zuversicht und Begeisterung aus. Sie sei noch dabei zu akzeptieren, dass ihr Leben nicht mehr ganz gleich sei, wie vor dem Unfall. Dies sei jedoch auch eine Chance. «Ich muss noch lernen einen Ausgleich zu finden um mit meiner Einschränkung umzugehen. Ich möchte mich nicht mehr überbelasten und wünsche mir eine neue Stelle die mich erfüllt und glücklich macht».
Neben weiteren Therapien zurück in der Ostschweiz ist die Jobsuche im Moment das zentrale Thema in Jennifer Eigenmanns Leben. Gemeinsam mit einem Experten der IV sucht sie nach der passenden Stelle. Ihr Neustart sei noch nicht abgeschlossen aber auf einem guten Weg, sagt die sympathische Frau mit einem Lachen.