Wenn man Politiker von Links bis Rechts fragt, klingt es ähnlich. In den Städten ist das Betreuungsangebot für die Kinder gut. Auf dem Land ist es für Eltern schwieriger einen Krippenplatz zu ergattern. Was soll man tun?
Nichts, sagen Personen mit einem eher konservativen Familienbild. Schliesslich soll die Mutter das Kind zu Hause betreuen, bis dies nicht mehr nötig ist. Diese Kreise lehnen beide Vorlagen ab.
Darum geht es:
- Das Parlament und die Regierung wollen ein neues Betreuungsgesetz. Dies ist der Gegenvorschlag zu einer Initiative des Lehrerverbands.
- Das Gesetz verlangt, dass die Gemeinden für genügend Kinderkrippen sorgen und zwar für Kinder bis zum Ende der Primarschule. Die Initiative verlangt ein Angebot für die ganze obligatorische Schulzeit (also auch an der Oberstufe).
- Die Gemeinden sollen die Qualität der Krippen festlegen. Laut der Initiative legt der Kanton die Standards fest.
- Die Initiative legt auch die Betreuungsform und die Öffnungszeiten fest. Der Gegenvorschlag lässt dies offen.
- Mit der Initiative sollen Eltern, Gemeinde und Kanton die Kosten für die Krippen übernehmen. Mit dem Gesetz würden Eltern und Gemeinde bezahlen.
Die grossen Ansprüche sind der Grund, weshalb auch liberale Politiker ein doppeltes Nein einlegen. Zu diesen gehört FDP-Grossrätin Martina Sigg. Sie findet, dass es kein neues Gesetz brauche – also keinen Druck auf die Gemeinden. Schliesslich hätten die Gemeinden in den letzten Jahren bewiesen, dass sie gemeinsam mit Firmen und privaten Organisationen viele Krippen gründen.
Dem stimmt der Aargauer CVP-Grossrat Andre Rotzetter nicht ganz zu. Es gäbe noch Gemeinden, welche eben nicht die nötigen Betreuungsplätze zur Verfügung stellten. Als Beispiel nennt er Wallbach. «Wenn eine Familie mit kleinen Kindern dorthin gezogen ist , dann merkt sie plötzlich, jetzt brauche ich Unterstützung», so Rotzetter. Unterstützung, welche eben nicht vorhanden sei.
Zu viele Vorschriften
Das Betreuungsgesetz würde dieses Problem lösen, ist der CVP-Politiker überzeugt. Die Initiative des Lehrerverbands geht ihm dagegen zu weit. Diese würde zu viel regeln und selbst die Öffnungszeiten vorschreiben. Er will den Gemeinden Spielraum lassen.
Diesen gebe es durchaus noch, findet Kathrin Scholl vom Aargauer Lehrerverband. Die Gemeinden könnten mit anderen zusammen arbeiten oder auch Tagesfamilien suchen. Auch betreffend Kosten wiegelt Scholl ab. Die Gegner sprechen von 200 Millionen Franken, welche die Initiative verursache. Der Lehrerverband schätzt die Mehrkosten auf 20 Millionen.
Zudem würden die Ausgaben für die Kinderkrippen wieder in die Gemeindekasse zurückfliessen – etwa weil beide Elternteile arbeiten und dadurch mehr Steuern bezahlen. Letztlich sei es eine Investition der Gemeinden, welche in doppeltem Masse wieder zurückkommen, findet Scholl.
Fazit: Die Parteien sind sich durchaus einig, dass es mehr Krippenplätze braucht. Allerdings sind die Lösungen unterschiedlich. Die einen glauben, dass die Gemeinden selbständig eine Lösung suchen sollen und es kein neues Gesetz braucht. Schliesslich seien Kinderkrippen auch ein wichtiger Vorteil, wenn es darum geht, neue Einwohner anzulocken.
Die Befürworter des Betreuungsgesetzes finden, es brauche einen gewissen Druck auf die Gemeinden. Allerdings soll man nicht zu viel vorschreiben. Und die Befürworter der Lehrerverbands-Initiative wollen möglichst einheitliche Regeln im Kanton. Schliesslich sollen die Eltern nirgends benachteiligt werden.
Ausgang der Abstimmung ungewiss
Was die Mehrheit der Aargauer Stimmbürger denkt, das zeigt sich am 5. Juni. Die breite bürgerliche Front gegen beide Vorlagen deutet aber darauf hin, dass sowohl Initiative als auch Gegenvorschlag beim Stimmvolk einen schweren Stand haben könnten.
Stimmt das Stimmvolk Nein, dann endet damit vorläufig ein sehr langer politischer Streit im Kanton Aargau. Über die familienergänzende Kinderbetreuung wird im Parlament nämlich seit bald zehn Jahren diskutiert.