«Klein Istanbul» nennen die meist türkischen und italienischen Bewohner ihr altes Quartier in Gerlafingen im Kanton Solothurn. Hier leben viele ältere Menschen mit einer einfachen Rente. Die meisten waren einmal Arbeiter im ehemaligen Stahlwerk Von Roll. In den 70er-Jahren waren sie aus dem Süden nach Gerlafingen gezogen.
48 Wohnungen sind es insgesamt - verteilt auf drei alte, verlotterte Wohnblöcke. Die Wohnungen sind einfach und billig, doch für die Bewohner ist «klein Istanbul» ihre Heimat, sie wollen hier nicht weg. Jetzt bricht für viele eine Welt zusammen, denn die neuen Besitzer wollen die Gebäude totalsanieren und haben deshalb allen 48 Familien gekündigt. Die Betroffenen sind verzweifelt.
Ich gehe hier nicht weg. Auch wenn mich am letzten Tag die Polizei aus meiner Wohnung holt.
«Ich lebe seit 40 Jahren in diesem Haus, warum muss ich jetzt auf einmal weg von hier?» fragt eine ältere Italienerin das Reporterteam. Ein weinender Türke sagt: «Ich gehe nicht weg, ich will hier unbedingt bleiben. Auch wenn mich am letzten Tag die Polizei aus meiner Wohnung holt. Seit 46 Jahren lebe ich hier in Gerlafingen. Jetzt bin ich 75 Jahre alt, wo soll ich denn hingehen?»
Ein anderer Türke schildert das Problem folgendermassen: «Wir haben sechs Monate, um eine neue Wohnung zu finden. Das ist zu wenig Zeit. Jetzt suchen 48 Parteien gleichzeitig eine neue Bleibe in der Gegend im ähnlichen Preissegment. Das ist unmöglich, da finden sie nichts.»
Mieterverband als letzte Hoffnung
Die neuen Hausbesitzer erklären gegenüber «Schweiz aktuell», dass sich die Bewohner von «klein Istanbul» nach den mehrmonatigen Sanierungsarbeiten für die renovierten Wohnungen wieder bewerben können. Allerdings werden die Wohnungen dann 30 bis 50 Prozent mehr kosten.
Für viele Mieter ist das zu teuer. Und so hoffen sie, mit Hilfe des Mieterverbands wenigstens die Kündigungsfrist verlängern zu können.