Aktuell gilt im Kanton Aargau ein sogenanntes Selbstdispensationsverbot. Das heisst: Medikamente müssen grundsätzlich in Apotheken gekauft werden. Ärzte dürfen Medikamente nur im Notfall abgeben oder mit einer Spezialbewilligung. Diese erhalten nur Ärzte auf dem Land, wo die nächste Apotheke zu weit weg ist.
Ärzteschaft will Medikamenten-Abgabeverbot kippen
Die Volksinitiative der Ärzteschaft «Ja zur ärztlichen Medikamentenabgabe» wurde mit knapp 8000 gültigen Unterschriften eingereicht. Sie verlangt, dass Ärzte grundsätzlich Medikamente verkaufen dürfen.
Der Aargauische Ärzteverband argumentiert, dass die Patienten damit die Wahlfreiheit hätten. In 17 von 19 Deutschschweizer Kantonen sei die Medikamentenabgabe so geregelt, nur Basel-Stadt und der Aargau hätten ein Verbot.
Apotheker wollen Gegenteil und gehen noch einen Schritt weiter
Mit gut 50'000 Unterschriften kämpfen die Apotheker für ihre Anliegen: Die Volksinitiative «Miteinander statt Gegeneinander» verlangt genau das Gegenteil der Ärzte-Initiative. Sie will das Selbstdispensationsverbot sogar in der Kantonsverfassung festschreiben.
Ein zusätzlicher Verfassungsartikel verlangt die Förderung einer «integrierten Gesundheitsversorgung» durch den Kanton. Die Abstimmung findet am 22. September statt.
Pro- und Contra, Gegeneinander, Miteinander?
Die Argumente der beiden Parteien sind ganz unterschiedlich. Hans-Ulrich Iselin, Präsident des Aargauischen Ärzteverbandes und Fabian Vaucher, Präsident des Aargauischen Apothekerverbandes stehen für die beiden Berufsgruppen.
«Nur 50 Prozent aller Medikamente, die im Aargau abgeben werden, werden in Apotheken verkauft», so Vaucher im Regionaljournal. «Wir sollten nicht nur um den Kuchen kämpfen, sondern mit den bestehenden Ressourcen eine gute Qualität erzielen», argumentiert Apothekerverbandspräsident Vaucher.
Der Interessenskonflikt zwischen den beiden Berufsgruppen bestehe seit langer Zeit, europaweit, weiss Vaucher. Doch das duale System bewähre sich seit dem Mittelalter: Der Arzt verschreibt die Medizin, der Apotheker überprüft das Rezept auf seine Richtigkeit.
Bei Patienten, die zum Teil über 20 Medikamente gleichzeitig einnehmen müssten, brauche es den Apotheker zudem als Berater, findet Vaucher.
«Der Aargau ist in einer Ausnahmesituation, wenn man ihn mit den andern Kantonen vergleicht», findet Ärzteverbandspräsident Iselin hingegen. Der Aargau solle keine Sonderzone in der Deutschschweiz mehr sein. «Wir wollen den Apothekern nicht reinfunken, aber in gewissen Situationen macht eine Medikamentenabgabe durch Ärzte Sinn», findet Iselin.
Die Abstimmungen vom 22. September im Aargau
Zudem würde der Aargau damit attraktiver für junge Hausärzte. «Es gäbe vielleicht etwas weniger weniger Hausärzte», sagt Iselin wörtlich. Denn mit der Medikamenten-Abgabe kann man natürlich auch Geld verdienen. «Jetzt sind die Nachbarkantone für junge Ärzte attraktiver», so Iselin.
Beide Seiten bestreiten aber vehement, dass es ihnen mit den Initiativen nur ums Geld gehe: Es gehe um das Gesundheitssystem als Ganzes und nicht darum, die «eigenen Pfründe» zu schützen.