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Mühlemann steht vor dem Haupteingang der Haco, über ihm der Schriftzug der Haco.
Legende: Seit Februar 2012 arbeitet Nicolas Mühlemann bei der Haco AG in Gümligen als Geschäftsführer im Familienunternehmen. Bähram Alagheband/SRF

Aargau Solothurn Nicolas Mühlemann: «Ich habe ständig einen Schatten gespürt»

Vor fünf Jahren erschütterte eine Nachricht die Gemeinde Biberist: Die Papierfabrik, ein fast 150-jähriger Traditionsbetrieb, schliesst seine Tore. 500 Mitarbeiter verlieren ihren Job – und alle schauen auf Geschäftsführer Nicolas Mühlemann. Was macht er heute – und wie blickt er zurück?

Wie blickt man seinen 500 Mitarbeitern in die Augen, nachdem sie soeben entlassen wurden? «Das ist sehr schwer, man spürt selber fast das Augenwasser.» 22 Jahre lang arbeitete Nicolas Mühlemann in der Papierfabrik Biberist. Zuletzt war er selber Geschäftsführer, als er im Juli 2011 vor die Belegschaft treten musste mit der Nachricht, dass die Papierfabrik Biberist mit ihren 500 Mitarbeitern geschlossen wird. Der Mutterkonzern Sappi hatte dies so entschieden.

Die Nachricht über die Schliessung überbrachte zwar der Verwaltungsratspräsident, erinnert sich Mühlemann. Dennoch sei dies der schwierigste Moment gewesen, als er vor die Leute treten musste.

Man sitzt da wie ein begossener Pudel.
Autor: Nicolas Mühlemann Ex-Geschäftsführer der Papierfabrik Biberist

Die Papierfabrik

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Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Biberist Papier hergestellt. Nach dem zweiten Weltkrieg folgte der wirtschaftliche Aufschwung der «Papieri». 1997 übernahm der finnische Konzern Metsä-Serla die Firma und verkaufte sie 2009 an die südafrikanische Sappi. Am 19. August 2011 wurde in Biberist die letzte Papierrolle produziert.

Vorwürfe habe er in dieser Zeit keine gehört, auch nicht von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auch danach nicht. Trotzdem: Das Rampenlicht, in dem er sich plötzlich befand, war alles andere als einfach. Als er vor der Belegschaft stand, habe er sich gewünscht, er hätte eine andere Rolle, gibt der 55-jährige heute zu. «Aber in diesem Moment ist es zu spät. Dann ist man mitten drin, muss nach vorne schauen und aus dieser misslichen Situation das Beste machen.»

Ein ständiger Schatten

Heute sagt Mühlemann, er habe ständig «einen Schatten gespürt», positiv wie negativ. Damit meint er die Öffentlichkeit oder die Sozialpartner, welche immer wissen wollten, wie es nun weiter geht. Vor allem aber waren es die Mitarbeiter, die grössten Betroffenen.

Manchmal sei es aber durchaus schwer gewesen, weil manche Personen kein Verständnis aufbringen konnte. «Es wäre vielleicht gut gewesen, wenn das Gegenüber mal in meiner Rolle gewesen wäre. Damit kann man manchmal schneller eine Lösung finden. Im Mittelpunkt stand für mich ja immer der Mitarbeiter.» Mit wem es einfach war, und mit wem nicht, das lässt Mühlemann offen.

Plötzlich wieder alleine

Als dann die Schliessung definitiv war, und das Rampenlicht langsam ausging, war auch das nicht einfach: «Als alle um die Mitarbeiter zitterten, stand die Firma im Scheinwerferlicht. Als der Entscheid dann definitiv war, interessierte sich kurzum niemand mehr für die Firma oder dafür, was mit den Mitarbeitern passierte.»

Die Person

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Nicolas Mühlemann ist 55 Jahre alt und stammt aus dem Kanton Bern, wo er heute noch wohnt. Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Heute ist er Geschäftsführer des Lebensmittelgrosshändlers Haco in Gümligen. Das Familienunternehmen macht einen Umsatz von jährlich rund 370 Millionen Franken und hat über 1000 Mitarbeiter weltweit.

Heute arbeitet Nicolas Mühlemann beim Lebensmittel-Grosshändler Haco, im bernischen Gümligen. Auch dort ist er – wie damals in Biberist – Geschäftsführer im weltweit tätigen Betrieb.

Hie und da gebe es Momente, die ähnlich seien wie damals in der Papierfabrik. Da spüre er auch wieder den Druck. «Aber das gehört zur Arbeit einer Führungskraft. Man muss Probleme annehmen und lösen.»

Kann es wieder passieren?

Kann man denn eine Schliessung eines Betriebs immer verhindern? Klar, man könne den Bettel hinwerfen «und frühzeitig gehen», was aber eine schlechte Lösung sei. Aber wenn man in einer Branche seriös arbeite und selber entscheiden könne, was man tut, dann könne man eine Schliessung verhindern. «Wenn aber jemand anders die letzte Entscheidung hat, ist das nicht möglich», fügt Mühlemann an.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 17:30 Uhr

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