Eine Umfrage auf der Strasse ergibt ein deutliches Bild. Ohne Auto leben – das ist für die meisten unvorstellbar. Man braucht das Auto beruflich, zum Einkaufen und vor allem auch für die Freizeit. «Wenn Sie wandern gehen, und das Wetter ist unsicher, dann schmeissen sie einfach die ganze Ausrüstung ins Auto und fahren los», so beschreibt ein Passant in Baden den Komfort, den ihm das Auto bietet.
Drei Viertel der Befragten geben an, sie könnten oder wollten ohne Auto nicht leben. Man trifft aber auch das Gegenteil an. «Sitzen macht träge. Im Auto sitzt man, man wird also träge», gibt ein Mann in Baden zu Protokoll, gefragt vom Regionaljournal Aargau Solothurn, ob er sich denn auch ein Leben ohne eigenes Auto vorstellen könne. Er habe keinen Fahrausweis, der öffentliche Verkehr genüge ihm, sagt der Mann. Im Notfall könne man immer noch ein Taxi rufen.
Leere Parkplätze sind teuer
Dieser Mann gehört zum Zielpublikum einer neuen Überbauung an der Gartenstrasse in Baden. Bauherrin ist die Bau- und Siedlungsgenossenschaft Lägern mit Hauptsitz in Wettingen. Die Genossenschaft hat in der Region Baden-Wettingen rund 900 Wohnungen in diversen grösseren und kleineren Überbauungen.
Zu den neueren Projekten gehört die vor zwei Jahren fertiggestellte Überbauung Allmend in Baden. Diese hat 35 Wohnungen und 51 Plätze in der Tiefgarage. Das Projekt wurde nach den Bauvorschriften der Stadt Baden erstellt. Und diese schrieben damals noch den Bau von mindestens einem Autoabstellplatz pro Wohnung vor.
Nur: Von den 51 Plätzen in der Tiefgarage auf der Allmend stehen seit Mietbeginn 10 Stück leer. Ein Fünftel der Parkplätze ist also überflüssig. Für die Genossenschaft ein Verlustgeschäft, denn der Bau eines einzigen Garagenplatzes kostet 30‘000 bis 50‘000 Franken.
Kann dieser Betrag nicht über die Vermietung der Garagenplätze hereingeholt werden, müssen die Wohnungsmieten das Defizit decken. Eine unerwünschte Quersubventionierung.
An der Gartenstrasse in Baden wird das nicht passieren. Dort gibt es nämlich keine Tiefgarage. Die Genossenschaft Lägern baut die erste autofreie Überbauung im Aargau. Möglich macht es die revidierte Bau- und Nutzungsordnung (BNO) der Stadt Baden. Diese erlaubt seit einem Jahr nach Druck aus dem Einwohnerrat den Bau von autofreien Wohnungen.
Für die Genossenschaft Lägern heisst das: Sie muss keine Tiefgarage bauen, spart dadurch eine Million Franken und kann diese Ersparnis an ihre Mieterinnen und Mieter weitergeben.
Es muss garantiert sein, dass niemand irgendwo in der Stadt parkiert.
Eine 3,5-Zimmer-Wohnung (90 Quadratmeter) hat einen Mietpreis von rund 1800 Franken (inklusive Nebenkosten). Mietbeginn ist im Herbst 2017. Für eine Lage mitten im Zentrum von Baden ist das ein attraktiver Preis. Die Bewohner haben keine Tiefgarage, dafür grosszügige Veloabstellplätze rund ums Haus und auch im Keller. Ein grosser Lift befördert die Velos vom Erdgeschoss ins Untergeschoss. Und wer ein E-Bike hat, kann es gratis mit Strom betanken.
Freiwillige und soziale Kontrolle
Diesen Vorteilen stehen einige Einschränkungen gegenüber. Wer in das Mehrfamilienhaus einziehen will, unterschreibt mit dem Mietvertrag die Verpflichtung, ohne Auto zu leben. Auf die betreffende Person darf kein Auto immatrikuliert sein.
Damit die Genossenschaft dies überprüfen kann, erteilt ihr der Mieter die Vollmacht, bei Bedarf beim Strassenverkehrsamt oder beim Arbeitgeber entsprechende Nachforschungen anstellen zu dürfen. Und der Mieter muss jedes Jahr von neuem ein Formular ausfüllen und unterschreiben, dass er noch immer autofrei lebt.
Sollte sich daran etwas ändern, wenn zum Beispiel ein Paar zusammenzieht und dadurch eine Person im Haushalt ein Auto hat, wird der Mietvertrag aufgelöst. Natürlich könne die Genossenschaft nicht von sich aus alles kontrollieren, sagt Geschäftsführer Christoph Bernet.
Aber erstens vertraue man auf die Selbstdeklaration der Mieter, so Bernet. Und zweitens: «Wir gehen davon aus, dass – sofern die Nachbarn das mitkriegen – dann schon der Hinweis kommt, dass wir hier genauer hinschauen sollten.»
Regionaljournal Aargau Solothurn, 6:32 Uhr