Rudolf Siegrist kämpft gegen viele Windmühlen. Er ist Rektor der Berufsfachschule Baden (BBB). Er betreut unter anderem Coiffeusen, Automechaniker und Köche. Auch Lastwagenchauffeure gehen an der BBB zur Schule. Für sie wollte Siegrist in Dottikon zusammen mit dem Transportunternehmen Setz ein Kompetenzzentrum für die Ausbildung schaffen.
Die Lehrlinge hätten dort nicht nur das Fahren gelernt, sondern noch sehr viel mehr. In Logistik hätten sie sich weiterbilden und auch in die Unternehmensführung hätten sie sich vertiefen können. Aber das Projekt konnte nicht wie geplant realisiert werden.
Zu viele Köche haben den Brei verdorben: Der Berufsverband Astag machte nicht so richtig mit, weil er in Bern ein eigenes Zentrum hat. Und der Kanton erlaubte nicht, dass das Zentrum als Aktiengesellschaft organisiert wurde.
Die Berufslehre ist nicht attraktiv genug
Rolf Siegrist ist enttäuscht. Er erlebt immer wieder, dass gute Ideen zur Verbesserung der Berufslehre im Dickicht verschiedener Interessen (Verbände, Politik, Verwaltung, Organisationen) untergehen oder verwässert werden.
Und gute Ideen, so Siegrist, brauche es unbedingt, denn er sieht die Berufslehre in der Krise. «Unsere Zahlen sinken. Ich glaube nicht mehr an die Attraktivität der Berufslehre. Jugendliche entscheiden sich heute für den gymnasialen Weg.»
Der gymnasiale Weg ist unter Umständen der einfachere, der bequemere. Wer eine Lehre mit Berufsmatur macht, steht Tag für Tag im Betrieb und muss Nacht für Nacht büffeln. Das schreckt viele Jugendliche ab. Eine Kantischülerin der Kanti Baden gibt freimütig zu: «Lehre UND Matur, das wäre mir zu stressig.»
Neue Kanti in Brugg?
Sie ist eine von vielen, die die Matura machen wollen. 5500 Studierende haben die Aargauer Kantonsschulen momentan. Diese Zahl wird um bis zu einen Drittel steigen in den nächsten 20 Jahren.
Für die Kantis hat das Folgen. Schon heute platzen sie sozusagen aus allen Nähten. Mit Schulräumen in Pavillons und mit provisorischen Turnhallen versucht der Kanton die Raumnot zu bekämpfen.
Die Pflästerli-Politik findet der Verband der Mittelschullehrerinnen und -lehrer falsch. Ihr Präsident Thomas Dittrich: «Es braucht eine neue Kantonsschule, in Brugg hätte es Platz dafür.»
Beim Kanton sieht man das ganz anders. Man ist daran, ein Standort- und Raumkonzept für alle Berufs- und Kantonsschulen zu erarbeiten. Man sieht schon jetzt: In gewissen Berufsschulen gibt es leere Räume. Und an den Kantis Aarau und Baden, wo es die Wirtschaftsmittelschule WMS und die Informatikschule IMS gibt, die beide eigentlich in die Berufsbildung gehören, denn man schliesst sie mit Eidgenössischen Fachausweisen ab und nicht mit der Matura, dort fehlt der Platz.
IMS und WMS an Berufsschulen?
Eine Idee geistert deshalb in der Bildungsverwaltung umher: Man kann zwei Fliegen mit einer Klappe treffen, wenn man die IMS und die WMS von den Kantis in die leeren Berufsschulen zügelt. Die Kantis hätten wieder Platz, die Berufsschulen wären wieder besser ausgelastet.
Auf dem Papier sieht diese Idee gut aus, aber nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick gibt es unzählige Fragezeichen. Das grösste: Ist es wirklich sinnvoll, WMS- und IMS-Schülerinnen aus den Zentren Baden und Aarau in die äussersten Winkel des Kantons zu verfrachten?
Die Diskussion ist lanciert: Der Kanton prüft aktuell verschiedene Konzepte, die Kantis wollen eine neue Kanti und die Berufsschulen würden die WMS und die IMS übernehmen, befürchten aber, dass damit eine wirkliche Diskussion über die Probleme der Berufslehre ausgeblendet wird.