Prognosen sind schwierig und mit Vorsicht zu geniessen. Und doch: Wer im Vorfeld dieser Regierungswahlen mit der Bevölkerung, mit Beobachtern und Parteienvertreterinnen, mit Politikerinnen und Politikern spricht, der erhält Hinweise auf mögliche Szenarien.
Klar scheint zu sein: Die drei bisherigen Regierungsräte schaffen die Wiederwahl problemlos. Das hat Tradition im Aargau und nicht nur hier. Auch CVP-Kandidat Markus Dieth scheint unbestritten zu sein – er dürfte Finanzminister Roland Brogli «beerben».
Entscheidung erst am 27. November
Spannend wird der Kampf um den fünften Sitz in der Regierung. Wahrscheinlich entscheidet sich dieser Kampf aber erst am 27. November – in einem zweiten Wahlgang. Es gibt zu viele Kandidaturen in der ersten Runde im Oktober, das absolute Mehr ist zu hoch, als dass alle Sitze in einem Durchgang besetzt werden können.
In einem zweiten Wahlgang aber ist das Rennen wieder so gut wie offen. Denn nach dem 23. Oktober und vor dem 27. November werden viele Parteien taktisch und strategisch über die Bücher gehen: Kandidaturen können zurückgezogen oder ausgewechselt und neue Allianzen geschmiedet werden.
Wahlchancen der einzelnen Kandidaturen im Überblick:
- Alex Hürzeler (SVP, bisher): Der Bildungs- und Kulturdirektor dürfte im 1. Wahlgang bestätigt werden. Er macht Stimmen weit über seine Partei hinaus, hat sich sogar in Lehrerkreisen einen gewissen Respekt erarbeitet.
- Urs Hofmann (SP, bisher): Der Innen- und Wirtschaftsdirektor ist als ehemaliger Gewerkschafter in der Wirtschaft gut verankert und holt Stimmen weit ins bürgerliche Lager hinein. Auch er schafft eine Wiederwahl problemlos.
- Stephan Attiger (FDP, bisher): Der Bau-, Umwelt- und Verkehrsdirektor hat in seinen ersten vier Jahren in der Regierung ebenfalls keine Fehler gemacht, baut im Aargau «mit Bedacht». Auch er ist links und rechts breit akzeptiert und schafft die Wiederwahl am 23. Oktober fast sicher.
- Markus Dieth (CVP, neu): Der ehemalige Grossratspräsident und der amtierende Gemeindeammann von Wettingen ist bekannt, hat viel politische Erfahrung, überzeugt mit profunden Dossier-Kenntnissen und kommt mit seiner bodenständigen Art an. Die Frage ist eigentlich nur: Schafft er es im 1. Wahlgang oder muss er im November noch einmal antreten?
- Franziska Roth (SVP, neu): Die Brugger Gerichtspräsidentin hat zwar eine starke Hausmacht im Rücken, die SVP holt bei Parlamentswahlen jeweils etwa einen Drittel aller Stimmen. Aber sie hat kaum politische Erfahrung, ist im Wahlkampf mit provokativen Äusserungen zur Schule angeeckt und geniesst selbst in der SVP keine vorbehaltlose Unterstützung. Das wird schwierig. Gut möglich, dass sie oder ihre Partei im Hinblick auf einen zweiten Wahlgang die Kandidatur zurückzieht.
- Yvonne Feri (SP, neu): Sie kommt wie Markus Dieth aus Wettingen, politisiert im Nationalrat pointiert links und will den zweiten linken Regierungssitz in einem klar bürgerlich dominierten Kanton verteidigen. Keine einfache Aufgabe: Aber je nach Ausgangslage könnte Feri in einem zweiten Wahlgang durchaus chancenreich dastehen – wenn sich bürgerliche Parteien nicht auf gemeinsame Kandidaturen einigen können und wenn sich Robert Obrist von den Grünen zugunsten von Feri aus dem Rennen nimmt.
- Robert Obrist (Grüne, neu): Den Sitz von Susanne Hochuli zu verteidigen, ist eine Herkulesaufgabe. Robert Obrist ist wenig bekannt und seine Partei hat mit gut 7 Prozent Wähleranteil keine grosse Hausmacht. Dazu kämpft er als Mann um den einzigen weiblichen Sitz in der Regierung. Das dürfte ihm auch auf linker Seite Stimmen kosten.
- Maya Bally (BDP, neu): Sie gilt für einige Beobachter als Geheimfavoritin. Die BDP hofft auf Stimmen aus der Mitte – zum Beispiel von der FDP. Maya Bally ist bereits im Grossen Rat, hat Führungserfahrung in der Privatwirtschaft und gilt als wirtschaftsnah. Zudem positioniert sie sich gegen die SVP-Kandidatin als kompromissbereite und konstruktive Alternative für bürgerliche Wähler.
- Ruth Jo. Scheier (GLP, neu): Die fehlende Führungserfahrung und die kurze politische Biografie in Kombination mit einer sehr kleinen Partei im Rücken dürften ihre Wahlchancen relativ klein halten.
Die weiteren Kandidaturen von Jil Lüscher (parteilos), Pius Lischer (IG Grundeinkommen) und den drei Juso-Vertreterinnen Mia Guyer, Mia Jenni und Ariane Müller sind angesichts der valablen Alternativen aus den Reihen der Grossratsparteien chancenlos.
Köpfe zu den Aargauer Regierungsratswahlen 2016
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Bild 1 von 12. Urs Hofmann (SP, bisher). Als Innendirektor ist Hofmann zuständig für Polizei und Justiz, aber auch für die Volkswirtschaft. Er kämpft unter anderem gegen Gewalt im Fussball und gegen Stellenabbau in der Industrie. Der ehemalige Nationalrat ist ebenfalls seit 2009 Regierungsrat. Im April haben ihn die Genossen für die Wiederwahl nominiert. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 12. Alex Hürzeler (SVP, bisher). Seit 2009 leitet der SVP-Mann aus dem Fricktal das Departement Bildung, Kultur und Sport. Er will im Herbst für eine dritte Amtszeit kandidieren. Im April wurde er von seiner Partei offiziell nominiert. Bildquelle: Kanton Aargau/André Albrecht.
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Bild 3 von 12. Stephan Attiger (FDP, bisher). Er will noch einmal: Der Badener ist seit 2012 Vorsteher des Departements Bau, Verkehr und Umwelt und damit verantwortlich für viele grosse Infrastrukturprojekte im Kanton. Ende April nominierte ihn die FPD an ihrem Parteitag offiziell. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 12. Markus Dieth (CVP, neu). Die Delegierten der CVP Aargau haben den aktuellen Grossratspräsidenten im April offiziell als Regierungsrats-Kandidat nominiert. Der ehemals «höchste Aargauer» galt schon lange als möglicher Kandidat für die Nachfolge von Finanzdirektor Roland Brogli. Der gestandene CVP-Politiker ist ausserdem Gemeindeammann von Wettingen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 12. Franziska Roth (SVP, neu). Die Bezirksgerichtspräsidentin von Brugg soll der SVP einen zweiten Sitz in der Regierung verschaffen. «Wir haben Anspruch darauf», sagt Roth und spielt damit auf die beinahe 40 Prozent Wähleranteil ihrer Partei an. Roth gibt sich inhaltlich moderat, hat aber bisher kaum politische Erfahrung. Im April wurde sie offiziell nominiert. Bildquelle: Maurice Velati/SRF.
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Bild 6 von 12. Robert Obrist (Grüne, neu). Ende Juli präsentierten die Grünen Obrist als Kandidaten. Er soll den Sitz von Susanne Hochuli verteidigen, welche nach zwei Amtsperioden nicht mehr antritt. Robert Obrist ist Ingenieur Agronom und sitzt seit 2014 im Grossen Rat. Bildquelle: ZVG/GRÜNE AARGAU.
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Bild 7 von 12. Maya Bally (BDP, neu). Die Aargauer Grossrätin Maya Bally will für die BDP einen Sitz im Aargauer Regierungsrat erobern. Die gebürtige Zürcherin lebt seit 2001 in Hendschiken und ist seit 2013 im Grossen Rat. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 12. Yvonne Feri (SP, neu). Die Nationalrätin soll den frei werdenden Sitz von Susanne Hochuli ergattern. Die Wettingerin hat weit mehr politisches Know How als andere Kandidaten vorzuweisen: Sie sammelte als Gemeinde-, Gross- und Nationalrätin Erfahrung auf lokaler, kantonaler und nationaler Ebene. Bildquelle: ZVG/SP AARGAU.
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Bild 9 von 12. Ruth Jo Scheier (GLP, neu). Die Aargauer Grossrätin Ruth Jo Scheier tritt für die GLP an und will in die Aargauer Regierung. Die 40-Jährige sitzt seit 2009 im Grossen Rat und seit 2014 im Einwohnerrat von Wettingen. Bildquelle: ZVG.
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Bild 10 von 12. Die Juso Aargau tritt gleich mit einem Dreierticket an und nominiert drei junge Frauen für den Regierungsrat: Mia Jenni, Ariane Müller und Mia Gujer. Bildquelle: zvg.
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Bild 11 von 12. Jil Lüscher stellt sich als Parteilose für den Aargauer Regierungsrat zur Wahl. Die 59-jährige Journalistin ist in Muhen aufgewachsen und wohnt heute in Zofingen. Bildquelle: zvg.
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Bild 12 von 12. Dauerkandidat Pius Lischer stellt sich auch bei den diesjährigen Aargauer Regierungsratswahlen wieder zur Wahl. Bildquelle: Keystone.
(Regionaljournal Aargau Solothurn, 17:30 Uhr)