Von aussen betrachten kam Robert Obrist zur Regierungsratskandidatur ein bisschen wie die Jungfrau zum Kind. Die ganze Aargauer Politik - auch die grüne Partei selber - rechnete nämlich fest damit, dass die grüne Regierungsrätin Susanne Hochuli nochmals antritt.
Der Geschlechter-Malus
Ende Juli dann die grosse Überraschung: Hochuli verkündet, dass sie aufhört und die Grünen ihrerseits präsentieren Robert Obrist als Kandidaten. Sofort kommt Kritik auf, dass keine weibliche Kandidatur aufgestellt wurde für den Sitz der einzigen Frau in der Aargauer Regierung.
Der Vorstand der Grünen gesteht in der Folge gegenüber Radio SRF sogar Fehler ein. Aus Zeitgründen habe man kein umfassendes Auswahlverfahren durchführen können, heisst es damals.
Robert Obrist selber antwortet im Wahl-Interview bei Radio SRF auf die Geschlechterfrage: «Grundsätzlich ist es so, dass die Frauen und Männer in unserer Partei ausgeglichen vertreten sind».
Neben der Tatsache, dass Obrist keine Frau ist und im Kampf für den grünen Sitz gegen die Kandidatinnen von BDP, GLP und SP antreten muss, sprechen noch andere Gründe dafür, dass es eher schlecht steht um seine Wahlchancen.
Die fehlende Erfahrung und Bekanntheit
Einerseits ist die Hausmacht der Aargauer Grünen klein. Andererseits ist der 58-jährige Schinznacher ein politischer Neuling. Erst 2014 nachgerutscht in den Grossen Rat, hat er sich zwar rasch einen Namen gemacht als versierter Finanzpolitiker. Dennoch fehlt es ihm an jahrelanger Erfahrung und Bekanntheit.
Die «Ochsentour» hat er ausgelassen, war nie in einer Schulpflege, nie in einem Einwohnerrat, nie in einem Gemeinderat. In seiner Weinbaugenossenschaft ist er überall geschätzt, sagt der neue Leiter Hanspeter Kuhn: «Robert Obrist hat immer angepackt und Projekte auch durchgezogen. Zudem war er stets kompromissbereit.»
In seiner Heimat, dem Schenkenbergertal, ist Obrist dafür als umtriebiger Mensch bekannt. Mit dem Förderverein Werkstatt Schenkenbergertal setzt er sich für eine nachhaltige Entwicklung der Gegend ein. Weiter kämpfte der 58-jährige erfolgreich gegen einen neuen Steinbruch und engagiert sich gegen ein Atomendlager am Bözberg. Der Grüne ist Hobby-Winzer und bewirtschaftet eine kleine Rebparzelle in Schinznach.
Seine politischen Kernthemen sind Finanzen, Umwelt und Bildung. Deshalb könnte er sich auch vorstellen, ein solches Departement zu übernehmen. «Hier könnte ich meine Kernkompetenzen als Lehrer, Umwelt- und Finanzpolitiker am besten ausspielen».
Rechter oder linker Grüner?
Das Problem: Mit grösster Wahrscheinlichkeit wird keines dieser Departement frei. Die Bisherigen signalisierten stets, dass sie ihre Departemente behalten möchte. Und da die Wahl des CVP-Kandidaten Markus Dieth als unbestritten gilt und dieser auf das Finanzdepartement aspiriert, bliebe nur noch das Gesundheits- und Sozialdepartement übrig. Obrist sagt dazu: «Auch dies könnte ich mir vorstellen, obwohl dieses Departement sehr anspruchsvoll ist»
Der Schinznacher bezeichnet sich selber als dem grünliberalen Flügel innerhalb der Partei zugehörig. Ein Blick in die Online-Wahlhilfe Smartvote zeigt aber ein anderes, ein linkeres Bild. Dort spricht sich Obrist für einen starken Sozialstaat aus.
Lust zu dirigieren
Das Fernsehteam von SRF hat Robert Obrist im Grossratssaal zum Kurz-Interview getroffen - auf einem der Stühle, die während der Debatten von einem Regierungsrat besetzt sind. Obrist fühlt sich darauf sichtlich wohl: