Die Traktanden der Sissler Gemeindeversammlung vom Donnerstag klangen nicht besonders attraktiv: Rechnung 2014, Landverkauf im Industriegebiet. Trotzdem sind 144 von 945 Stimmberechtigten zur Versammlung erschienen: Eine Stimmbeteiligung von immerhin rund 15 Prozent.
Gratis-Güselsäcke als «Lockvogel»
Das ist die höchste Stimmbeteiligung seit langem. Und sie ist nicht zufällig entstanden: Der Gemeinderat hat die Versammlung erstmals bereits um 19 Uhr angesetzt, für die Kinder gab es einen Hütedienst in der Schule und für alle anwesenden Stimmbürger gab es eine Rolle gebührenpflichtige Abfallsäcke im Wert von 22 Franken.
Gerade die letzte Massnahme hatte im Vorfeld der Versammlung für Schlagzeilen gesorgt. Gemeindeammann Rainer Schaub zeigt sich nun gegenüber Radio SRF zufrieden. «Natürlich ist nicht ganz klar, warum die Leute gekommen sind. Wahrscheinlich hat es auch mit der Berichterstattung zu tun, dass sich die Leute nun überlegt haben, weshalb sie sonst jeweils nicht zur Gemeindeversammlung kommen.»
Hohe Kosten für hohe Stimmbeteiligung
Die Gemeinde Sisseln hat sich das Engagement des Stimmvolks mehrere Tausend Franken kosten lassen. Trotzdem will Rainer Schaub daran festhalten. «Was ich jetzt schon sagen kann: Wir bleiben kreativ, um die Leute für die Gemeindeversammlung zu interessieren, damit wir ein spannendes Gesamtpaket schnüren können.» Ob es wieder kostenlose Abfallsäcke gibt, das sei aber noch offen, so Schaub.
Wir bleiben extrem kreativ, um die Leute zu motivieren.
Auch in anderen Gemeinden ist die Stimmbeteiligung tief: In Oftringen besuchten nur gerade 3,7 Prozent der Stimmberechtigten die Versammlung, welche über die Abschaffung der Gemeindeversammlung (und die Einführung eines Parlaments) diskutierte. In anderen Kantonen gibt es sogar statistische Auswertungen: In St. Gallen zum Beispiel lag die Stimmbeteiligung bei Gemeindeversammlungen 2014 im Schnitt bei knapp 6 Prozent.
Gemeindeversammlung abschaffen?
Einige Gemeinden haben darauf reagiert. Weil die Gemeindeversammlungen mit ihrer tiefen Beteiligung kaum demokratische Entscheide herbeiführen können, haben diverse Luzerner Gemeinden die Versammlungen abgeschafft. In Hochdorf, Ebikon oder Wolhusen entscheiden die Bürgerinnen und Bürger nur noch an der Urne über kommunale Vorlagen.
Die Versammlungen abschaffen, das ist für Rainer Schaub in Sisseln allerdings kein Thema. Erstens habe Sisseln eine lange Tradition, in der Gemeinde am Rhein werden bis heute sogar Wahl-Versammlungen durchgeführt, um die wichtigsten kommunalen Ämter zu besetzen. Zudem findet Schaub: «Es ist die direkteste Form der Demokratie.» Auch wenn man die Demokraten mit Geschenken an die Versammlungen locken muss.