Genau zwei Jahre ist es her, seit «Gerigate» Schlagzeilen machte. Und ziemlich genau in einem Jahr sind in Baden die Gesamterneuerungswahlen für den Stadtrat. Baden hat schwierige Zeiten hinter sich. Und die Stadt hat wohl auch turbulente Zeiten vor sich.
Im Wahlkampf wird «Gerigate» unweigerlich wieder hochkochen. Egal, wen man auf der Strasse fragt, praktisch allen Passanten ist «Gerigate» ein Begriff. Details sind meist nicht bekannt, aber dass der linke Stadtamman Geri Müller erotische Selfies verschickt habe und sich im Stadthaus ungebührlich verhalten haben soll, das scheint Allgemeinwissen zu sein.
Eine Geschichte nimmt ihren Lauf
«Affäre», «Skandal» – diese Begriffe sind bei den Passanten schnell zur Hand. Die Leute haben damit das im Kopf, was die Zeitung «Schweiz am Sonntag» am 17. August 2014 publizierte. Nämlich die Geschichte von Stadtammann Geri Müller, der mit einer Frau einen intensiven Chat pflegte. Während der Arbeitszeit habe er ihr Nachrichten geschrieben. Und Müller habe erotische Selfies gemacht von sich in seinem Büro im Stadthaus.
Die Informationen zum Artikel in der Zeitung «Schweiz am Sonntag» stammten von der Chatpartnerin von Geri Müller. Als Müller die Beziehung zu ihr beenden wollte, bombardierte sie ihn mit SMS und sie drohte mit Suizid. Am Schluss ging sie mit ihrem Material zur Presse, inklusiv widerrechtlich aufgezeichnetem Gesprächsmaterial.
Nur: Dieses Material und die ganze Geschichte um Geri Müller und seine Chatpartnerin, hätten wohl gar nie veröffentlicht werden dürfen.
Entscheide gegen Frau und Zeitung
Ein Gericht hat im Sommer die Chatpartnerin nämlich verurteilt wegen versuchter Nötigung, übler Nachrede, Beschimpfung und unbefugten Aufnehmes eines Gespräches. Die Frau muss Geri Müller eine Entschädigung von 16'000 Franken zahlen. Sie hat den Strafbefehl akzeptiert. Sie bereut, dass sie Material aus ihren Chats den Medien zukommen liess, das schreibt sie in einem Mail, das dem SRF-Regionaljournal vorliegt.
Und der Schweizer Presserat , ein freiwilliges Gericht der Zeitungen, hat im Juli 2016 eine Stellungnahme veröffentlicht. Das Fazit: «Nicht alles, was in Amtsräumen passiert, ist von öffentlichem Interesse.» Und weiter: «Die ‹Schweiz am Sonntag› hat (...) die Privat- und Intimsphäre des Badener Stadtammanns (...) in schwerer Weise verletzt» – klare Worte gegen die Zeitung.
Öffentliches Interesse vs. Privatsphäre
Geri Müller sei eine öffentliche Figur. Seine Handlungen hätten in Amtsräumen stattgefunden. Deshalb sei das Interesse der Öffentlichkeit höher zu gewichten als die Privatsphäre eines Politikers, argumentierte hingegen die Zeitung.
Schlimmer noch: Die Zeitung stellte den Vorwurf in den Raum, Geri Müller habe die Polizei aufgefordert, der Frau das Handy wegzunehmen, um damit eine heikle Beziehung zu vertuschen. Es könnte Amtsmissbrauch im Spiel sein, vermutete die Zeitung. Dies stellte sich im Nachhinein jedoch als falsche These heraus, der Schaden für Geri Müller war zu diesem Zeitpunkt allerdings schon angerichtet.
Gräben in der Politik
«Gerigate» wird das Verhalten der Badener Stimmbürgerinnen und Stimmbürger beeinflussen. Zu vermuten ist, dass Geri Müller nicht davon profitieren wird. Hinter seiner Wiederwahl steht ein grosses Fragezeichen. Dies auch deshalb, weil viele Stimmberechtigte in Baden die weiteren Kapitel der Affäre gar nicht mitbekommen haben.
Eine Geschichte, die gar nie hätte publiziert werden dürfen, könnte also die Badener Stadtratswahl 2017 beeinflussen. Und nicht nur das: Sie hat die Politik schon verändert, nicht zum Besseren.
Von links bis rechts ist zu hören, dass sich die Gräben zwischen den Parteien vertieft hätten. Einwohnerrat Mathias Schickel (CVP) zum Beispiel sagt: «Die Linken gingen in den Verteidigungsmodus, die Rechten liessen sich auf aggressive Voten gegen den Stadtrat ein. Dadurch wurde die Zusammenarbeit schwieriger.»
Stefanie Heimgartner (SVP) doppelt nach: «Wir hatten bis zu ‹Gerigate› eine gute Ratskultur. Diese hat gelitten. Es ging weniger um die Sache, dafür herrscht nun ein Gegeneinander der Parteien.»
Fritz Bosshardt, Team Baden, weist noch auf einen anderen Punkt hin: «‹Gerigate› hat gezeigt, dass der Stadtrat in Krisensituationen Probleme hat. Dadurch hat das Vertrauen des Einwohnerrates in die Stadtregierung gelitten.»