Die Stromwirtschaft war früher ein in sich geschlossenes System, in dem sehr viel Geld kursierte und in dem sehr viel Geld verdient wurde. Konzerne wie Axpo und Alpiq produzierten Strom mit AKWs und Wasserkraftwerken. Diesen Strom konnten sie zu sehr guten Preisen verkaufen, denn die Kunden waren an die Energielieferanten gebunden und mussten die Gestehungskosten zahlen.
Ich habe mich nie als Strombaron gefühlt.
Daneben betrieben die Stromkonzerne einen lukrativen Handel mit Spitzenstrom. Immer dann, wenn in Europa der Strom knapp wurde, schalteten Axpo und Alpiq die Turbinen ihrer Speicherkraftwerke in den Berge ein. Dieser Strom wurde zu Höchstpreisen verkauft und spülte den Konzernen viel Geld in die Kasse.
Wenn der Strom billig war, z.B. in der Nacht, warfen die Konzerne die Pumpen ihrer Speicherkraftwerke wieder an und pumpten Wasser vom Tal in die Stauseen in den Bergen. So speicherten sie die überschüssige Elektrizität in Form von Wasser.
Ist die Politik schuld?
Profiteure in diesem System gab es viele: Die Konzerne verdienten Geld, ihre Angestellten hatten gute Löhne, die Kader sowieso und die Verwaltungsräte liessen sich üppige Honorare auszahlen. Die Kantone profitierten in Form von Dividendenzahlungen und hohen Aktiensteuern weil sie die Konzerne besitzen. Und die Kunden profitieren weil sie jederzeit und immer Strom hatten zu moderaten Preisen.
Doch dieses System existiert nicht mehr. Aus Sicht des Aargauer Regierungsrates Stephan Attiger, der im Verwaltungsrat der Axpo den Kanton vertritt, gibt es drei Faktoren, die das System aus den Angeln hoben:
Trennung von Netz und Produktion
Früher besass die Axpo grosse Teile des Übertragungsnetzes. Dieses wurde aber der Swissgrid übergeben. Heute rentiere dieses Netz, die Axpo habe aber nichts mehr davon.
Liberalisierung des Strommarktes
Früher waren Kunden an ihre Stromlieferanten gebunden. Nach der Marktliberalisierung haben heute Grosskunden die freie Wahl. Wer ihnen Strom verkauft, muss mit dem Preis auf dem europäischen Markt kalkulieren. Und dieser Preis ist extrem tief, er deckt die Produktionskosten einer Axpo nicht. Reguliert ist aber nach wie vor der Markt für Privatkunden. Diese sind im Monopol gefangen und müssen die Gestehungskosten ihrer Anbieter bezahlen.
Hat nun ein Energieproduzent direkten Zugang zu diesen Endkunden, kann er seinen Strom nach wie vor kostendeckend verkaufen. Der Axpo würden diese Endkunden aber fehlen, sagt Stephan Attiger. Dies sei nicht ein unternehmerischer Fehlentscheid, sondern eine Folge der Teilliberalisierung, also eines politischen Entscheides. Attiger fordert, dass auch der Markt für Privatkunden liberalisiert wird, denn dann hätten wieder alle Energiekonzerne gleich lange Spiesse. Im Visier hat er den Axpo-Konkurrenten BKW. Dieser hat viele Endkunden und steht deshalb besser da als die Axpo.
Tiefer Stompreis wegen Überangebots
In Europa wird viel zu viel Strom produziert, deshalb ist der Preis in den Keller gefallen. Gründe, so Stephan Attiger, seien die massive Subventionierung von Wind- und Sonnenenergie in Deutschland. Dazu komme, dass CO2-Zertifikate viel zu billig seien. Es rentiere deshalb, mit Kohlekraftwerken Strom zu produzieren. Dieser Strom aus Deutschland sei eine übermächtige Konkurrenz, so Attiger.
Die Frage nach der Versorgungssicherheit
Die Axpo verdiene zwar in verschiedenen Geschäftsfeldern nach wie vor Geld, erklärt Stpehan Attiger. Aber diese Erlöse würden nicht genügen, um die Verluste aus der Stromproduktion zu decken. Wasser- und Atomkraftwerke könnten nicht rentabel betrieben werden.
«Die Situation ist ernst. Wir können nicht ewig so durchhalten», sagt Attiger. Die Lösung der Probleme sieht er aber nicht darin, wie die Alpiq grosse Teile der Wasserkraft zu verkaufen. Auch eine Auffanggesellschaft für AKWs sei kein guter Vorschlag, so Attiger.
Er setzt auf eine andere Lösung: Oberstes Gebot sei die Versorgungssicherheit. Wind- und Sonnenenergie würden nicht rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr zur Verfügung stehen. «Wir brauchen auch Strom, wenn ein Solarpanel mit Schnee bedeckt ist und wenn in der Nordsee einmal kein Wind bläst.»
Es brauche Kraftwerke, die jederzeit ein- und ausgeschaltet werden können, betont Attiger. Und das seien die Speicher- und Pumpspeicher-Kraftwerke in den Bergen. Diese in Betrieb zu halten, also eine «Vorhalteleistung» zu erbringen, müsse den Betreibern vergütet werden.
Gratis Strom und doch eine hohe Stromrechnung
Meint Attiger damit Subventionen? Nein, entgegnet er, die Vorhalteleistung müsse in den Strompreis eingerechnet werden. Er sieht folgendes Szenario: Es könne durchaus sein, dass der Preis für die Energieart Strom gegen null tendiere. Mit der Stromrechnung habe der Konsument aber in Zukunft Abgaben zu entrichten für die Netznutzung, für die kostendeckende Einspeisevergütung und neu eben auch für die Vorhalteleistungen.
Wir müssen uns Gedanken machen über die Versorgungssicherheit.
Die Politik müsse nun handeln, und zwar schnell, fordert Stephan Attiger. Und er meint nicht die kantonale Politik, sondern die Bundespolitik, denn für die Energie sei Bern zuständig. Allerdings: Die Mühlen in Bern mahlen bekanntlich langsam. Hält die Axpo noch so lange durch? Attiger: «Es muss schnell gehen.»