Kurt Wiederkehr, früher verdiente man mit der Stromproduktion gutes Geld. Heute verliert man Geld, z. B. mit einem Flusskraftwerk. Warum?
Es gibt drei Gründe. Erstens hat man in Europa bis 2008 noch geglaubt, der Stromverbrauch würde zunehmen. Deshalb hat man neue Kraftwerke gebaut. Zweitens werden erneuerbare Energien subventioniert, vor allem in Deutschland, aber auch in anderen Ländern Europas und auch bei uns. Diese Produktion hat deshalb sehr stark zugenommen und trägt zu einem grossen Angebot bei. Und drittens sind die Schweizer Stromprduzenten durch die Marktöffnung den internationalen Preisen ausgesetzt. Diese sind momentan tief. Dadurch ist der Strom sehr billig. Das Leben wird für unsere Stromproduzenten wirklich eng.
Es gibt nun also zu viel Strom auf dem Markt. Vor kurzem sagten uns die Stromkonzeren Alpiq und Axpo aber noch, es könnte eine «Stromlücke» geben, man habe zu wenig Strom. Haben sie uns angelogen?
Da muss man präzisieren. Die Möglichkeiten, in einer kalten Winternacht genügend Strom liefern zu können, sind immer enger geworden. Daran muss man denken, wenn man von «Stromlücke» spricht.
Wir haben also einerseits zu viel Strom und doch die Gefahr, dass es zeitweise eine Stromlücke geben kann?
Beim Strom geht es immer darum, genau so viel Strom zu produzieren, wie man gerade braucht. Im Herbst gab es eine Situation, wo Beznau I und II nicht liefen. Und wegen der Trockenheit produzierten die Laufwasserkraftwerke nur wenig Strom. Da kamen wir in eine Situation, wo es hätte kritisch werden können. Zum Beispiel dann, wenn es noch irgendwo eine Panne gegeben hätte, zum Beispiel bei grossen Transformatoren.
Mit der Stromproduktion verdient man also momentan kein Geld mehr. Warum schaltet man dann die Kraftwerke nicht einfach ab?
Die Kraftwerke haben die Kosten für die laufende Produktion. Diese kann man noch decken mit den Erlösen. Aber das Geld fehlt für Abschreibungen, also für Investitionen. Das kann man nicht auf die Seite legen.
Das heisst also, dass Abschalten teurer wäre als das Weiterlaufen der Werke?
Das ist so. Man hätte hohe Kosten für das Abschalten. Man müsste die Werke ja irgendwie zurückbauen. Deshalb ist klar, sie laufen weiter.
Wir haben jetzt über die Stromproduzenten gesprochen, Axpo und Alpiq. Schauen wir uns noch einen anderen Teil der Wirtschaft an, den Technologiekonzern General Electric GE. Dieser will bis zu 1300 Stellen abbauen. Offenbar will niemand Geld investieren in die Gasturbinen von GE, die ja auch Strom produzieren. Ist an den Schwierigkeiten von GE auch der tiefe Strompreis schuld?
Ja, das kann man ganz direkt so sagen. Die Nachfrage stockt, weil es Überkapazitäten gibt. Das hat auch wieder damit zu tun, dass man im ganz grossen Stil die erneuerbaren Energien subventioniert. Niemand will mehr neue Gaskraftwerke bauen. Das schlägt direkt durch auf General Electric.
Es ist also so, dass GE gute Gasturbinen baut. Aber diese will einfach niemand kaufen?
Das ist richtig, ja.
Fassen wir zusammen: Axpo und Alpiq haben Probleme, das Geld fehlt. Deshalb brechen in Baden und Olten die Steuereinnahmen weg. Und auch die Kantone spüren es, weil die Stromkonzerne keine Dividenden mehr bezahlen. Und GE muss Stellen abbauen wegen der tiefen Strompreise. Heisst das, dass die Badener und Oltner, generell die Aargauer und Solothurnerinnen, den Preis zahlen für die Turbulenzen am Energiemarkt, für die Energiewende?
Die so genannte Energiewende ist sicher ein Teil davon. Sie ist aber ein langfristiger Prozess, der schon vor dem Unglück in Fukushima angefangen hat. Wir müssen einfach sehen, dass wir der internationalen Entwicklung ausgesetzt sind. Und dort schlägt das Pendel eben kräftig aus, mal in diese Richtung, mal in eine andere.
Konkret zu Baden und Olten: Diese beiden Städte hatten sehr gute Zeiten in der Vergangenheit. In Baden nahmen die Steuereinnahmen der juristischen Personen dank der florierenden Energiebranche nach der Jahrtausendwende drastisch zu, von 10 auf 30 Millionen Franken. Das war toll, man konnte sich viel leisten. Möglicherweise sind wir jetzt einfach auf dem Weg zurück in den Normalzustand.
(Regionaljournal Aargau Solothurn, 17:30 Uhr, ulrs;meyb)