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Abstimmung Kanton Zürich So sollen Sozialdetektive in Zukunft «schnüffeln» dürfen

Überwachung von Sozialhilfebezügern und Herkunftsnennung bei Straftätern: Über diese heissen Eisen entscheidet das Zürcher Stimmvolk.

Die Stimmbevölkerung des Kantons Zürich entscheidet über drei kantonale Vorlagen: Darüber, wie Sozialhilfeempfänger überwacht werden dürfen. Ob in Polizeimeldungen die Nationalitäten der Straftäter erscheinen. Und ob es eine neue Ausgabengrenze für die Regierung geben soll. Die Übersicht:

Wie sollen Sozialdetektive «schnüffeln» dürfen?

Eine Frau hockt in einem Gebüsch und schiesst heimlich Fotos.
Legende: Der Einsatz von Sozialdetektiven soll eine gesetzliche Grundlage erhalten. Keystone

Um was geht es?

Am Ursprung der Vorlage steht ein Entscheid des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aus dem Jahr 2016. Das Gericht kam damals zum Schluss, dass die rechtliche Grundlage für die Überwachung von Sozialhilfebezügern in der Schweiz fehle. Dieser Entscheid hatte Konsequenzen: Um weiterhin Sozialdetektive einsetzen zu können, musste der Kanton Zürich das Gesetz anpassen.

Der Startschuss für die Änderung des Sozialhilfegesetzes erfolgte im Februar 2018. Das Parlament unterstützte einen Vorstoss, um die Überwachung von möglichen Sozialhilfebetrügern weiterhin zu ermöglichen. Nachdem der Rat die Gesetzesänderung im letzten Sommer definitiv beschloss, entscheidet nun das Zürcher Volk als letzte Instanz.

Die neuen Festlegungen im Gesetz wollen, dass Sozialämter verdeckte Überwachungen anordnen können – allerdings nur, wenn ein konkreter Missbrauchsverdacht besteht und der Bezirksrat die Observierung im Voraus genehmigt hat. Innerhalb eines halben Jahres darf die verdächtigte Person maximal 20 Tage lang überwacht werden, unangemeldete Hausbesuche und GPS-Tracker sind nicht gestattet.

Was sagen die Befürworter?

Es brauche eine klare Rechtsgrundlage bei der Sozialhilfe und diese sei nun geschaffen worden, sagen die Befürworterinnen und Befürworter der Vorlage. Denn gerade im Kampf gegen Missbrauchsfälle seien klare Regeln dringend nötig, um Unsicherheiten zu beseitigen. Observationen seien ein wichtiges Mittel, um den Sozialhilfemissbrauch zu verhindern und die Glaubwürdigkeit des Instruments in der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Mit den Gesetzesänderungen seien diese verdeckten Ermittlungen möglich – und auch der Einsatz von technischen Hilfsmitteln wie Fotokameras sei verhältnismässig geregelt.

Was sagen die Gegner?

Für die Gegnerinnen und Gegner sprechen gleich mehrere Argumente gegen die Änderungen im Sozialhilfegesetz. So sind sie der Ansicht, dass bei der Überwachung von möglichen Sozialhilfebetrügern GPS-Tracker nötig seien. Zudem stören sie sich an der Bewilligung durch den Bezirksrat. Eine andere Gruppe der Gegnerschaft argumentiert mit der Legitimität der Observation. Sie sind der Ansicht, dass Sozialhilfebezüger unter Generalverdacht gestellt würden, die Kontrolle sei Aufgabe der Polizei und nicht der Sozialämter.

Nationalitäten in Polizeimeldungen Ja oder Nein?

Um was geht es?

Es ist mittlerweile rund drei Jahre her, als der damalige Zürcher Sicherheitsvorsteher Richard Wolff anordnete, dass die Stadtpolizei Zürich in ihren Medienmitteilungen die Nationalität des Täters nicht mehr nennen soll. Die SVP reagierte empört auf diesen Entscheid und lancierte eine Volksinitiative, die vorsah, dass die Polizeien im ganzen Kanton nicht nur die Nationalität des Täters, des Tatverdächtigen und des Opfers, sondern auch den Migrationshintergrund bekanntgeben müssen.

Neben der ursprünglichen Volksinitiative entscheiden die Zürcherinnen und Züricher auch über einen moderateren Gegenvorschlag des Regierungsrats. Dieser sieht vor, dass die Nationalität in Polizeimitteilungen und an Pressekonferenzen zurückhaltend und nur bei schweren Straftaten genannt werden, bei Verkehrs- oder Arbeitsunfällen soll darauf verzichtet werden. Zudem will der Gegenvorschlag keine Angaben zum Migrationshintergrund von Straftätern oder Verdächtigen.

Was sagen die Befürworter?

Für die Volksinitiative sprechen sich nur SVP und EDU aus. Sie sind der Ansicht, dass sich die Bevölkerung eine offene Informationspolitik der Polizeien wünsche und sich durchaus auch selbst eine differenzierte Meinung zur Nationalitätennennung bilden könne. Die anderen bürgerlichen Parteien sprechen sich für den Gegenvorschlag aus, der ihrer Meinung nach ausgewogener sei, er lasse Raum für sinnvolle Unterscheidungen, je nach Art des Ereignisses.

Was sagen die Gegner?

Die Nationalität sei nicht Ursache für eine Straftat, argumentieren die Gegner von Initiative und Gegenvorschlag aus dem linken, politischen Lager. Vielmehr seien andere Faktoren entscheidend wie zum Beispiel soziale oder wirtschaftliche Situation des Täters. Mit der Nennung der Nationalität würden in der Bevölkerung Vorurteile geschürt, sei reine Stimmungsmache und schade schlussendlich der Demokratie.

Neue Ausgabengrenze Ja oder Nein?

Ein Haus gebaut aus Münzen und einem Dach aus einer Tausendernote.
Legende: Die Zürcher Regierung soll Ausgaben bis vier Millionen künftig eigenhändig beschliessen können. Keystone

Um was geht es?

Der Zürcher Regierungsrat hat die Kompetenz, in Eigenregie Millionenbeiträge zu genehmigen. Bei einmaligen Ausgaben lag die Obergrenze bislang bei 3 Millionen Franken, bei wiederkehrenden Ausgaben bei 300'000 Franken. Diese Finanzkompetenzen sollen mit der Abstimmungsvorlage neu geregelt werden, die Zürcher Regierung soll selbst höhere Beträge genehmigen können. Bei einmaligen Ausgaben soll der Maximalbetrag neu bei 4 Millionen Franken liegen, bei wiederkehrenden Ausgaben neu bei 400'000 Franken. Alle Ausgaben, die die neuen Grenzwerte überschreiten, sind dem fakultativen Referendum unterstellt. Die Grenze für eine mögliche Volksabstimmung zu den Ausgabenbeschlüssen würde somit gesenkt. Bislang liegt die Grenze bei 6 Millionen Franken für einmalige Ausgaben und 600'000 Franken für wiederkehrende Ausgaben.

Was sagen die Befürworter?

Die Erhöhung der finanziellen Kompetenzen der Zürcher Regierung seien massvoll, begründen die Befürworter ihr Ja zur Vorlage. Und sie sei nötig, da Bevölkerungszunahme und Teuerung auch höhere Ausgaben nach sich ziehen würden. Mit der Senkung der Grenze für das fakultative Referendum würden die Rechte der Stimmberechtigten im Gegenzug gestärkt.

Was sagen die Gegner?

Für die Gegner ist es nicht nötig, die Kantonsverfassung zu ändern, weil kein allgemeiner Missstand dies rechtfertigen würde. Finanzielle Beschlüsse würden von Aufsichtskommissionen und Finanzkontrolle schon heute genau kontrolliert. Es sei sinnvoller, die Grenzen der finanziellen Zuständigkeit und die entsprechende Gesetzeslücke im Rahmen einer breiteren Verfassungsrevision zu schliessen.

SRF 1, Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 15.02.21, 17:30 Uhr ; 

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