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Abstimmungen Baselland Baselbiet führt schärfere Regeln für Sozialhilfebezüger ein

Baselland nimmt das Sozialhilfegesetz mit fast 64 Prozent Ja-Stimmen an. Damit führt der Kanton Baselland als erster Kanton ein Belohnungs- und Bestrafungssystem in der Sozialhilfe ein.

Abzug für Sozialhilfebezüger:innen

Kanton Basel-Landschaft: Sozialhilfereform «Anreize stärken – Arbeitsintegration fördern»

  • JA

    63.8%

    44'737 Stimmen

  • NEIN

    36.2%

    25'358 Stimmen

Abschaffung Verbot einer Nebenbeschäftigung der Ombudsperson

Kanton Basel-Landschaft: Änderung der Kantonsverfassung

  • JA

    86.4%

    59'307 Stimmen

  • NEIN

    13.6%

    9'338 Stimmen

    «Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir hoffen, damit die Zahl der Sozialhilfeempfänger zu senken und die Kosten zu reduzieren», sagt SVP-Landrat Peter Riebli am Abstimmungssonntag. Ursprünglich hatte er gefordert, dass der Grundbedarf von Sozialhilfebezügerinnen und -bezügern um 30 Prozent gekürzt werden soll.

Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Autor: Peter Riebli SVP-Landrat

Von der Motion-Riebli von 2017 ist nicht viel übriggeblieben. Die Regierung hatte einen Kompromiss ausgearbeitet, den das Stimmvolk jetzt angenommen hat. Die SVP hält sich vor, das Gesetz mit einer Initiative «nachzukorrigieren».

SVP-Landrat Peter Riebli
Legende: SVP-Landrat Peter Riebli sorgte mit seiner Forderung weit über die Kantonsgrenzen hinaus für Schlagzeilen. Keystone

Das revidierte Gesetz sieht neben dem Grundbedarf von 997 Franken unter anderem Motivations- und Beschäftigungszuschüsse für Sozialhifebeziehende vor. Neben der SVP haben sich auch die FDP und die Mitte für den Kompromiss der Regierung starkgemacht.

Primäres Ziel des revidierten Gesetzes sei es, Sozialhilfebeziehende in den Arbeitsmarkt zu integrieren, hatte die Regierung argumentiert.

Das ändert sich mit dem neuen Gesetz:

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Schild mit Aufschrift «Sozialversicherung», Menschen im Hintergrund.
Legende: Baselland führt eine Art Belohnungs- und Bestrafungssystem für Sozialhilfebeziehende ein. Keystone

Zentrales Ziel der Vorlage ist es gemäss Baselbieter Regierung, Personen, die Sozialhilfe beziehen, wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. In den ersten zwei Jahren seien die Chancen dafür am besten.

Zustupf für Bemühungen

Personen, die ein Förderprogramm besuchen oder sich in Ausbildung befinden, sollen einen Zuschuss in der Höhe von 100 Franken pro Monat erhalten. Wer ein Beschäftigungsprogramm absolviert, soll während zwei Jahren einen monatlichen Zustupf von 80 Franken bekommen.

Nach zwei Jahren: Abzug von 40 Franken

Mit einem Abzug von 40 Franken im Monat müssen hingegen Bezügerinnen und Bezüger rechnen, die bereits zwei Jahre Sozialhilfegelder bezogen haben. Von dieser Regel ausgenommen sind Kinder, Personen über 55 Jahren, Mütter mit Kindern unter 12 Monaten und vulnerable Menschen.

Überdies wird nun Assesmentcenters geschaffen. Dieses soll ausgesteuerten Arbeitslosen vor der Sozialhilfe Beratungen, Abklärungen und Koordination im Bereich der Existenzsicherung und Arbeitsmarktintegration bieten. Damit will die Baselbieter Regierung eine Betreuungslücke im Sozialsystem schliessen.


Entsprechend zufrieden ist der Baselbieter Finanzdirektor Anton Lauber (Mitte) am Abstimmungssonntag: «Ich bin froh, dass das Resultat so klar ist.» Der ganzheitliche Blick auf die Sozialhilfe, habe zu diesem Abstimmungserfolg geführt, analysiert Lauber.

Portrait von Finanzdirektor Anton Lauber (Mitte).
Legende: Finanzdirektor Anton Lauber (Mitte) hatte aus der SVP-Motion einen mehrheitsfähigen Kompromiss gezimmert. Keystone

SP und die Grünen hatten sich vehement gegen die Vorlage gewehrt. Sie erachten vor allem den Abzug von 40 Franken im Monat als problematisch, da dadurch die schwierige Lage der Sozialhilfebeziehenden weiter verschärft würde.

Linke und Hilfsorganisationen sprechen von «Unsozialhilfegesetz»

Trotz der abgeschwächten Regierungsvorlage blieb der Widerstand gegen die Sozialhilfereform bei Linken und Sozialhilfe-Organisationen bestehen.

Sie sprechen von einem «Unsozialhilfegesetz» und einem «Experiment auf dem Rücken der Ärmsten».

Ich bedaure dieses Resultat. Wir forcieren damit das Stigma gegenüber Armutsbetroffenen.
Autor: Miriam Locher SP-Präsidentin

SP-Präsidentin Miriam Locher vermisst die Menschlichkeit bei diesem Entscheid: «Ich bedaure dieses Resultat. Wir forcieren damit das Stigma gegenüber Armutsbetroffenen.»

Baselbieter SP-Präsidentin Miriam Locher
Legende: Als unsozial bezeichnet die Baselbieter SP-Präsidentin, Miriam Locher, die Vorlage. Keystone

Neben SP und Grüne wehren sich unter anderen die Caritas beider Basel, die Heilsarmee Basel, das Pastorale Zentrum der katholischen Kirche Baselland gegen die Vorlage.

Weitere Abstimmung: Klares Ja zu Nebenjob für Ombudspersonen

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Mit rund 85 Prozent Ja-Stimmen bestätigt das Stimmvolk, dass Ombudspersonen künftig auch einer Nebenbeschäftigung nachgehen dürfen. Das war bislang nicht möglich.

Hintergrund für die Änderung ist, dass die Ombudsstelle bis vor zwei Jahren ausschliesslich von einer Person in Vollzeit ausgeübt wurde. Inzwischen wird das Amt jedoch in Jobsharing von zwei Personen wahrgenommen.

Die Vorlage war unbestritten.

Thema ist noch nicht vom Tisch

Trotz klarem Abstimmungsresultat ist der Streit um die Sozialhilfe noch nicht beendet. «Wir werden das Gesetz jetzt kritisch beobachten. Wenn wir sehen, dass es nicht die gewünschten Effekte bringt, werden wir nachjustieren», sagt SVP-Landrat Peter Riebli. Denn im Kompromissvorschlag, den das Stimmvolk jetzt angenommen hat, ist nicht mehr viel von der ursprünglichen Forderung der SVP enthalten.

Wir werden das Gesetz jetzt kritisch beobachten und allenfalls nachjustieren.
Autor: Peter Riebli SVP-Landrat

Im Abstimmungskampf hatte die SVP bereits eine Initiative ins Spiel gebracht. Jetzt wolle die SVP die Entwicklungen aber knapp zwei Jahre beobachten und dann über eine allfällige Initiative entscheiden, so Riebli.

Regionaljournal Basel, 15.05.2022, 12.03 Uhr ; 

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