Zürich stösst in neue Dimensionen vor. So gross und so teuer wie der geplante Neubau der Schule Saatlen war noch kein städtisches Schulhaus. Die Kosten: 231 Millionen Franken. Für dieses Geld soll viel neuer Schulraum entstehen, für knapp 1000 Schülerinnen und Schüler. Kinder und Jugendliche aus Schwamendingen, einem Stadtteil, der rasant wächst.
Deshalb brauche es diese riesige Anlage an diesem Ort, argumentiert der Zürcher Stadtrat André Odermatt (SP): «Das Schulhaus steht mitten in diesem Quartier, in welchem viel neuer Wohnraum entstehen wird. Es ist deshalb die ideale Lösung am richtigen Ort.»
Ausser der SVP sprechen sich alle Stadtparteien für den Neubau aus. Die Partei spricht von einem «überteuerten Palast» und fürchtet, dass ein derart grosses Schulhaus mit 1000 Schülerinnen und Schülern zu Anonymität und Problemen auf dem Pausenplatz führt. Obwohl die AL dem Schulhausbau zustimmt, teilt sie letztere Befürchtung ebenfalls.
Doppelt so viele Klassen auf gleich viel Raum
Nach dem Umbau könnten 40 Klassen unterrichtet werden – vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe. Dazu kommen noch 16 Klassen der Schule für Kinder mit Körper- und Mehrfachbehinderungen. Das sind mehr als doppelt so viele Schülerinnen und Schüler auf dem Areal wie heute.
Es brauche diese Verdichtung, sagt Stadtrat André Odermatt. In der Stadt fehle schlicht der Platz, um genügend neue, kleinere Schulhäuser zu bauen. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den nächsten Jahren steige gemäss Prognosen zudem stetig an: «Mit unserer sogenannten Schulraumoffensive investieren wir mehr Geld in Schulraum und probieren auch kreative Ansätze aus.»
Schulen in Kirchen oder in Wohntürmen
So plant die Stadt beispielsweise Schulräume in einer Kirche, das ehemalige Radiostudio wird zu einer Schule umgebaut und auch in einem Hochhaus auf dem Hardturm-Areal will die Stadt Zürich Klassenzimmer einbauen.
Mit der grossen Kelle anrühren wie der geplante Neubau in Schwamendingen oder kreative Umnutzungen: Dass es solche besonderen Lösungen nicht nur in Zürich braucht, weiss auch Thomas Minder, Präsident des Verbandes der Schweizer Schulleiterinnen und Schulleiter: «Das ist in den Städten und in Agglomerationsgemeinden eine grosse Herausforderung.»
Lernoasen statt klassisches Klassenzimmer
Aber nicht nur beim Platz sieht Thomas Minder Nachholbedarf, sondern auch in der Gestaltung der Schulhäuser: «Es werden heute Schulhäuser gebaut, wie vor 60 oder 80 Jahren. Dabei sollten sich die Bauten den pädagogischen Entwicklungen anpassen.» Es brauche mehr Flexibilität in der Schulraumgestaltung. Nicht mehr das klassische Klassenzimmer mit Wandtafel und fixen Tischen und Bänken – sondern Lernoasen und Rückzugsräume.
Ähnlich klingt es bei Cornelia Dinsleder. Die Bildungsforscherin beschäftigt sich an der PH Luzern mit Fragen rund um Schulraumentwicklung. Sie sagt, grosse Schulhäuser brächten Vor- und Nachteile. Sie böten jedoch die Möglichkeit, neue Lernformen zu testen: «Wenn Platz vorhanden ist, regt es dazu an, neue Unterrichtsformen auszuprobieren. Einzelarbeitsplätze oder Gruppenräume, da gibt es vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten.» Wichtig sei, so Cornelia Dinsleder, dass bei einem Schulhausbau die Architektur mit der Pädagogik Hand in Hand gehe.