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Umfragen bei SRF Wie seriös sind Umfragen, Herr Golder?

Heute Mittwoch ist die zweite SRG-Umfrage im Auftrag der SRG SSR publiziert worden. Im Zusammenhang mit Umfragen tauchen immer wieder Fragen auf, wie repräsentativ diese sind. Da die Umfrage nebst telefonischen Befragungen auch Online-Befragungen umfasst, gibt es ab und an auch Gerüchte, die Umfragen könnten eventuell sogar manipuliert worden sein.

Das sagt SRF zu Manipulationsvorwürfen

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In einem Bericht von «Inside Paradeplatz» vom 16. November 2021 zeigt der Autor auf, wie es möglich sein soll, aktuelle Umfragen zur Abstimmung vom 28. November 2021 zu manipulieren. Der Autor bezieht sich auf zwei verschiedene Arten von Umfragen.

Zum einen gibt es die von SRF selbst durchgeführten User-Votings innerhalb der SRF-Community auf srf.ch, die nicht repräsentativ sind. Die Ergebnisse werden nicht gewichtet, sie widerspiegeln 1:1 das Resultat der abgegebenen Meinungen der Teilnehmenden. Das wird so jeweils auch deklariert. «Hier hat sich gezeigt, dass Manipulationen der Ergebnisse tatsächlich möglich sind», sagt Alexander Sautter, Leiter Digitale Kanäle SRF, «das ist ein Fehler.»

User-Votings werden gestoppt

Aus diesem Grund wurden Sofortmassnahmen beschlossen, dazu Sautter: «SRF hat per sofort alle eigenen User-Votings zu politischen Themen gestoppt. Ebenfalls haben wir die im Artikel erwähnte Auswertung des Votings von der Website entfernt. Zudem überprüfen wir, ob und wie wir künftig solche Votings einsetzen und mit welchen Massnahmen wir sie besser vor möglichen Manipulationen schützen können.»

Klar davon unterscheiden sich die repräsentativen Umfragen des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG, die nach einer wissenschaftlichen Methodik durchgeführt werden und die auf einer Kombination von Telefon-Befragungen und Online-Umfragen basieren. (siehe Interview)

Was ist dran an diesen Behauptungen? Einer, der diese Fragen beantworten kann, ist Lukas Golder. Er ist Co-Leiter und Verwaltungsratspräsident des Forschungsinstitutes gfs.bern, welches die SRG-Umfragen durchführt. Im Interview nimmt er zu den wichtigsten Fragen Stellung.

Lukas Golder

GFS Bern

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Lukas Golder ist Politik- und Medienwissenschaftler und hat an den Universitäten Bern und Genf studiert. Er ist Co-Leiter und Verwaltungsratspräsident beim Forschungsinstitut gfs.bern.

SRF News: Wie können Manipulationen von Online-Umfragen verhindert werden?

Lukas Golder: Dazu wären strikte Barrieren nötig. Doch zunächst gilt es klar zu differenzieren zwischen Online-«Klick-Votings» einerseits, von denen aktuell die Rede ist. Und andererseits den wissenschaftlichen, repräsentativen Umfragen, wie wir sie bei gfs.bern machen. Unsere Ergebnisse basieren hauptsächlich auf repräsentativen, telefonischen Umfragen. Diese werden zwar ergänzend ebenfalls durch Online-Befragungen gestützt. Doch dank der wissenschaftlichen Methodik erkennen wir Unregelmässigkeiten bereits in der Datenkontrolle: Deshalb können unsere Umfrageergebnisse nicht manipuliert werden.

Unsere Umfragemethodik unterscheidet sich klar von einfachen Votings auf Newsportalen und Webseiten.

«Glaube nicht einer Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast»: Sind denn Statistiken und Umfragen so einfach zu fälschen?

Wir werden mit unseren SRG-Trend-Befragungen in unterschiedlichsten Themen alle paar Monate seit zwanzig Jahren an der Realität gemessen. In den allermeisten Fällen sind wir zufrieden. Unsere Umfragemethodik ist etabliert und wird weltweit verwendet. Sie sind nicht perfekt, liefern aber wie in unserem Fall in den meisten Fällen ein sehr präzises aktuelles Meinungsbild. Dies gilt es klar zu unterscheiden von einfachen Votings auf Newsportalen und Webseiten.

Wie hoch kann der Anteil von «manipulierten» Umfragen sein?

Unsere Umfragen als Ganzes sind nicht manipulierbar, da wir bei der Überprüfung der Daten die Telefonbefragung als Referenz verwenden und die meisten Manipulationen bereits in der Datenkontrolle erkannt und korrigiert werden.

Die SRG-Umfragen werden telefonisch und online durchgeführt. Was ist zuverlässiger?

Das Spannende ist, dass wir dank der online geführten Umfragen bei den Untergruppen genauer geworden sind. Das gilt beispielsweise für die italienischsprachige Schweiz oder für jüngere Stimmberechtigte. Für gesamtschweizerische Aussagen vertrauen wir aufgrund der langjährigen Erfahrung mit telefonischen Umfragen weiterhin eher der telefonischen Methode. Das ist auch die Umfrageform, die wir unseren Kundinnen und Kunden weiterhin empfehlen.

Wie ist das Verhältnis zwischen Online- und Telefonbefragungen? Wie wird hier gewichtet?

Wenn alle Daten der beiden Methoden gewichtet, kontrolliert und für sich alleine bereits plausibel sind, setzen wir sie in etwa in das gleiche Gewicht. Zuletzt waren wir damit auffallend präzise. Beide Methoden haben jedoch spezifische Vorteile und Nachteile.

Wie funktioniert eine Gewichtung?

Die Daten werden nach Regionen, Sprache, Alter, Geschlecht, Partei und nach einer früheren Abstimmung so gewichtet, dass sie gesellschaftlich und politisch möglichst genau die Schweiz abbilden. 

Datenerhebung und Stichprobengrösse

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Die Umfrage ist im Auftrag der SRG SSR vom Forschungsinstitut gfs.bern zwischen dem 3. und 11. November 2021 durchgeführt worden. Insgesamt wurden die Antworten von 23’997 Stimmberechtigten für die Auswertung berücksichtigt.

Telefonisch befragt wurden 1215 stimmberechtigte Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Die Interviews wurden per Festnetz und Handy durchgeführt.

Diese Stichprobe ist sprachregional gewichtet und repräsentativ für die Schweizer Stimmberechtigten. Der statistische Fehler beträgt ± 2.8 Prozentpunkte. Bei 1215 Befragten und einem Ergebnis von 50 Prozent liegt der effektive Wert mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen 47.2 und 52.8 Prozent. Dabei sind kleinere Abweichungen wahrscheinlicher, grössere unwahrscheinlicher.

SRF 4 News, 17.11.2021, 06:00 Uhr ; 

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