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Abstimmungen Kanton Graubünden Graubünden bekommt ein neues Wahlsystem

Das Bündner Stimmvolk hat im neunten Anlauf der Einführung des Proporzes zugestimmt.

Der zuständige Bündner Regierungsrat Christian Rathgeb (FDP) bringt es so auf den Punkt: «Das ist ein historischer Tag.» Man diskutiere seit beinahe 100 Jahren über das Wahlsystem. Das klare Resultat mit der gleichzeitig hohen Stimmbeteiligung sei deshalb historisch.

In den letzten Jahrzehnten hatte sich das Bündner Stimmvolk acht Mal hinter den geltenden Majorz gestellt. Nun hat die Stimmung eindrücklich gekehrt: Mit 79 Prozent Ja-Stimmen wird der geplante Systemwechsel durchgewunken.

Um künftig Sitze im Kantonsparlament zu ergattern, wird es entscheidend sein, wie hoch eine Partei im gesamten Kanton in der Wählergunst steht. Graubünden hat die Einführung eines Proporzwahlsystems beschlossen.

Nach vorne schauen

Die Reaktionen der Bündner Parteien fallen praktisch durchwegs positiv aus. Roman Hug, Präsident der SVP hofft, dass nun das Thema ad acta gelegt werden kann. «Wir haben im Kanton Jahrzehnte erbittert über das Wahlsystem gestritten, nun haben wir die Möglichkeit in die Zukunft zu gehen.»

Der Sieg sei insbesondere für die Bündner Sozialdemokraten historisch, sagt SP-Grossrätin Beatrice Baselgia. Ihre Partei habe 90 Jahre lang für den Proporz gekämpft. «Für alle Parteien geht es nun darum, im ganzen Kanton Kandidierende zu gewinnen», so Baselgia.

Alle Parteien hatten sich bei der aktuellen Abstimmung hinter die Vorlage gestellt. Einzig die frühere CVP beschloss Stimmfreigabe. Der Kommetnar des damaligen CVP-Präsidenten und heutige Co-Präsidenten von Die Mitte, Kevin Brunold: «Die Stimmbevölkerung hat klar entschieden, der Entscheid gilt, damit hat es sich.»

2022 wird das Kantonsparlament erstmals nach dem Doppelproporz gewählt. Dieses Wahlverfahren ist auch als «Doppelter Pukelsheim» bekannt. Mehrere Kantone wählen ihre Parlamente bereits heute so.

«Doppelter Pukelsheim»

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Der Wählerwille soll mit diesem System möglichst genau abgebildet werden. Verschiedene Kantone kennen dieses Wahlverfahren bereits, darunter Zürich, Schwyz oder Schaffhausen. Verteilt werden die Sitze in zwei Schritten:

  • Mit der Oberzuteilung werden alle abgegebenen Stimmen im Kanton berücksichtigt. Dabei wird ermittelt, welche Liste oder Partei insgesamt wie viele Stimmen erhalten hat. Anhand dieses Ergebnisses wird errechnet, wie viele Sitze den einzelnen Gruppierungen künftig im Parlament zustehen. Die Sitze werden proportional zu den Wähleranteilen vergeben. Nur Parteien, die eine Drei-Prozent-Hürde überspringen, haben Anspruch auf einen Sitz.
  • Mit der Unterzuteilung wird quasi die Feinverteilung gemacht und bestimmt, wie viele Sitze die verschiedenen Parteien in den Wahlkreisen geholt haben.

Gewählt wird weiterhin in den traditionellen 39 Wahlkreisen. 19 davon können wegen ihrer Bevölkerungszahl nur einen Vertreter oder eine Vertreterin nach Chur schicken.

Bei diesen Wahlkreisen könnte es bei der Feinverteilung der Mandate zu gewissen Verzerrungen kommen. Es wäre möglich, dass in einem Wahlkreis eine kleinere Partei, dank Stimmen aus anderen Wahlkreisen den Sitz bekommt, obwohl sie weniger Stimmen erhalten hat als andere Parteien in diesem Wahlkreis.

Besonders in Einerwahlkreisen würde eine solche Verzerrung von der Bevölkerung kaum akzeptiert, war sich die Regierung im Vorfeld sicher. Sie hat deshalb einen Kniff eingebaut, eine Majorzbedingung. Die schreibt vor, dass in jedem Wahlkreis die stimmenstärkste Partei immer mindestens einen Sitz erhält - falls die Partei gesamtkantonal auf den Sitz Anspruch hat. Somit geht in einem Einerwahlkreis der Sitz immer an die stärkste Partei im Kreis.

Bundesgericht war ausschlaggebend

Der jüngste Urnengang zum Dauerbrenner Wahlsystem wurde nötig, weil das Bundesgericht vor zwei Jahren festgestellt hatte, dass das heute in Graubünden angewendete Majorzverfahren zum Teil gegen die Bundesverfassung verstösst.

Kanton
Legende: Die 39 Wahlkreise können auch beim Doppelproporz beibehalten werden. Kanton Graubünden

Unklar ist, was die Änderung des Wahlsystems für Auswirkungen auf die Kräfteverhältnisse im Grossen Rat haben wird. Tendenziell dürften heute eher unterrepräsentierte und kleinere Parteien Sitze dazugewinnen.

Weitere Resultate auf einen Blick

Die weiteren Vorlagen in der Übersicht

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Bündner Jagdinitiative gescheitert

Die Jagd im Kanton Graubünden soll nicht eingeschränkt werden. Eine Initiative, die in mehreren Punkten die Jagd anpassen wollte, ist deutlich gescheitert.

79 Prozent lehnen die Initiative des «Wildtierschutz Schweiz» ab. Die Initiative verlangte unter anderem ein Verbot der Vogeljagd, eine generelle Winterruhe für Wildtiere oder sie verlangte, dass Kinder unter 12 Jahren nicht mehr mit auf die Jagd gehen dürfen. Die Initianten wollten, laut eigener Aussage, die Bündner Jagd «revolutionieren».

Von einer «Rebellion» gegen die Jagd war auf der Seite der Gegner die Rede. Die Initiative habe ein grundsätzlich jagdkritisches Fundament und richte sich gegen die Jagd als Institution.

Alle Parteien, die Regierung sowie verschiedene Verbände und das Parlament stellten sich gegen die Initiative.

Mutterschaftsbeiträge werden nicht abgeschafft

Erfolg für das Komitee, das sich gegen die Streichung der Mutterschaftsbeiträge wehrte. 56 Prozent der Stimmenden stellen sich hinter das Anliegen und wollen die Mutterschaftsbeiträge beibehalten.

Das Instrument der Mutterschaftsbeiträge dient dazu, Mütter oder Väter, die kurz nach der Geburt in finanzielle Schwierigkeiten geraten, zu unterstützen.

Regierung und Parlament argumentierten, das setze falsche Anreize und würde die Absicht hemmen Familie und Beruf zu vereinbaren. Die Beiträge sollten gestrichen und stattdessen die familienergänzende Kinderbetreuung gestärkt werden.

Dagegen sammelte ein Komitee Unterschriften. Da passiere ein Sozialabbau auf dem Buckel der Ärmsten, wurde kritisiert. Menschen würden in die Sozialhilfe gedrängt.

Unterstützt wurde das Komitee unter anderem von, SP, SVP, dem Gewerkschaftsbund und verschieden Verbänden.

SRF1, Regionaljournal Graubünden, 13.06.2021 ; 

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