Internet-Seekabel sind Ziel von Sabotage und Spielball der Geopolitik. SRF-Digitalredaktor Reto Widmer erklärt, warum die Kabel so verletzlich sind, welche Risiken ihre Konzentration in US-Hand birgt – und wie Europa versucht, den Anschluss nicht zu verlieren.
Wieso sind Seekabel ein Ziel für Sabotage?
Die Kabel in den Tiefen der Meere sind Teil der kritischen Infrastruktur und weitgehend unsichtbar. Als Ziel für Sabotage sind sie besonders attraktiv, da sogenannte «Grauzonen-Operationen» möglich sind. Also Angriffe, die sehr schwer nachzuweisen sind.
Mutmassliche Täter zu verurteilen, ist schwierig. So hat beispielsweise vor kurzem ein Gericht in Helsinki die Klage der Staatsanwaltschaft abgewiesen im Prozess um Beschädigungen mehrere Seekabel in der Ostsee durch ein Schiff, das mutmasslich zur russischen Schattenflotte gehört. Es war nicht möglich, finnisches Strafrecht auf den Fall anzuwenden, da die betroffenen Kabel ausserhalb der finnischen Hoheitsgewässer beschädigt wurden. Das Gericht sagte, der Fall des verdächtigen Tankers müsse als ein Vorfall im Rahmen des UN-Seerechtsübereinkommens eingestuft werden. Die Zuständigkeit liegt also bei den Gerichten des Flaggenstaates des Öltankers, den Cookinseln.
Welche Folgen haben diese Sabotage-Aktionen?
Das Ziel der Aktionen ist, Verunsicherung zu erzeugen: «Schaut mal, wie verletzlich ihr seid. Wir wissen genau, wo eure wunden Punkte sind. Und wir sehen, wie machtlos ihr seid!» lautet die Botschaft. Saboteure decken strukturellen Defizite der Länder auf und sammeln Informationen für ihre hybride Kriegsführung: Welche Sicherheitsbehörden sind beim angegriffenen Land involviert? Greift das Militär ein? Zusätzlich bindet die Sabotage enorm viel Aufmerksamkeit in Diskussionen rund um den besseren Schutz, die Verteidigung der Infrastruktur und die Sicherung von Datenkabeln.
Zu spürbaren Einschränkungen im Datenverkehr haben die mutmasslichen Sabotageakte wie jene in der Ostsee vor bald einem Jahr nicht geführt. Es gibt heute über 500 Unterseekabel, sodass die Datenübertragung auch beim Ausfall eines Kabels gewährleistet ist. Damit das auch in Zukunft noch der Fall sein wird, braucht es aber mehr Investitionen.
Wieso werden wir immer abhängiger von den USA?
Seekabel zu verlegen, kostet Milliarden. Diese Summen können sich nur wenige Länder und Firmen aufbringen: zum Beispiel Telekomfirmen, die von China kontrolliert werden. Oder amerikanische Tech-Giganten wie Google, Microsoft, Amazon und Meta. Sie verlegen eigene Kabel, um die Kapazität für ihre Dienste und die Versorgung ihrer Rechenzentren sicherzustellen. Prognosen gehen davon aus, dass der Anteil an Technologie-Konzerne aus den USA, die Unterseekabel besitzen, bis in zwei Jahren auf 80 Prozent anwachsen könnte. Die Internet-Infrastruktur liegt dann in der Hand weniger Unternehmen statt wie früher in Zusammenschlüssen von Ländern und Firmen.
Was sind die Risiken dieser Konzentration?
Die USA haben bei Konflikten ein mögliches Druckmittel in der Hand. Zum Beispiel könnte die Regierung mit ihrem guten Draht zu den Technologie-Konzernen verlangen, die Geschwindigkeit der Kabel künstlich zu verringern. Die EU hat die Problematik offenbar erkannt und will sich an zwei Kabelprojekten beteiligen, um unabhängiger zu werden. Ob das reicht, ist mehr als fraglich. Die Tendenz geht in die Richtung, dass Europa den Vorsprung der USA bei der Seekabel-Infrastruktur nicht mehr aufholen kann.
 
            