«Das neue Thurgauer Archivgesetz modern und gut gelungen», sagt Gregor Spuhler, Leiter des Archivs für Zeitgeschichte an der ETH in Zürich. Spuhler hat sich als Historiker im Auftrag des Thurgauer Regierungsrates mit der Thurgauer Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkrieges auseinandergesetzt. Der Kanton Thurgau regle als einer der ersten Kantone in der Schweiz die Archivierung von Akten im elektronischen Zeitalter.
Strafbestimmung ist umstritten
Der Historiker ist aber für eine Strafbestimmung im Gesetz, wenn vorsätzlich Akten vernichtet werden. Auch der Thurgauer Regierungsrat wollte diese Strafbestimmung ins Gesetz schreiben, doch der Grosse Rat des Kantons Thurgau hat diese Bestimmung in einer ersten Lesung abgelehnt.
Es braucht eine Strafbestimmung, wenn Akten vorsätzlich vernichtet werden.
Besonders auf Gemeindeebene sei es für Laien schwierig zu entscheiden, was archivwürdig sei, so die Argumentation im Kantonsparlament. Das bestreitet der Historiker Georg Spuhler, denn es sei ja im Gesetz prospektiv - also vorausschauend - festgelegt, was archivwürdig sei. Deshalb brauche es auch eine Strafbestimmung, wenn Akten vorsätzlich vernichtet würden, so Spuhler
Regierung beruft sich auf Fall Ende 50er Jahre
In der Botschaft der Regierung zum neuen Archivgesetz schreibt der Thurgauer Regierungsrat als Grund eine Strafbestimmung ins Gesetz zu schreiben, dass es bekanntlich auch im Kanton Thurgau zu rechtswidrigen Aktenvernichtungen gekommen sei.
Nicht belegt
Es sei aber bis heute nicht belegt, ob tatsächlich der heute umstrittene Thurgauer Polizeikommandant Ernst Haudenschild für diese Vernichtung von Akten der Fremdenpolizei zur Thurgauer Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkriegs verantwortlich sei, so Georg Spuhler.
Haudenschild gilt als Hauptverantwortlicher der rigiden Thurgauer Flüchtlingspolitik und trat in dieser Zeit von seinem Amt zurück.
Der Hintergrund für die vemutete Aktenvernichtung
Im Kanton Thurgau wurden noch bis Mitte 1944 Flüchtlinge an der Grenze abgwiesen. Also in einer Zeit, als die Existenz von Auschwitz schon bekannt war, so Georg Spuhler. Und diese Haltung gegenüber jüdischen Flüchtlingen, die man nicht im Kanton Thurgau aufnehmen wollte, sei durch Zitate gut belegt. Was aber durch die Vernichtung der Akten verloren gegangen sei, so Spuhler, sei die Dokumentation von Einzelschicksalen.