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Digitalisierung Die Digitalisierung der Schweiz soll endlich vom Fleck kommen

Die Corona-Krise hat es schonungslos ans Licht gebracht: Die Schweiz hat ein Problem bei der Digitalisierung. Nun schlägt der IT-Wirtschaftsverband Swico Alarm und stellt Forderungen für alle Bereiche der Gesellschaft.

Auslöser für das 10-Punkte-Programm seien die Erfahrungen während der Pandemie gewesen, erklärt Swico-Geschäftsführerin Judith Bellaïche: «Noch nie in der Geschichte war die Schweiz so blossgestellt».

Das «Fax-Debakel» des BAG war dabei nur die Spitze des Eisbergs. Jetzt brauche es eine Offensive und viel politischen Willen, die Energie in die Digitalisierung zu kanalisieren – und die notwendigen Ressourcen.

Zum Beispiel für die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Auch hier hätten sich viele Mängel offenbart. Homeschooling sei lediglich ein Kanal gewesen, auf dem Hausaufgaben verteilt wurden. Die Kinder waren auf sich allein gestellt. «Lehrerinnen und Lehrer waren nicht vorbereitet und geschult, Kinder mitzunehmen auf dem Distance-Learning-Weg», so Bellaïche.

Infrastruktur: Heute genug, morgen am Anschlag?

Handynetze, Internetanschlüsse für zu Hause und das Stromnetz: Ja, es funktioniere im Moment. Sehr gut sogar. Die Schweizerinnen und Schweizer sind eben auch ein bisschen verwöhnt. «Für den derzeitigen Bedarf sind wir gut versorgt». Aber das sei trügerisch, so Bellaïche. «Es ist eine sehr kurzfristige Betrachtungsweise, wenn man denkt, das reicht». Beim Ausbau des Handynetzes vermisst die Swico-Geschäftsführerin eine klare Position des Bundesrats. Das habe dieser verpasst. Und auch das Parlament legt eine ziemlich Technik-kritische Haltung an den Tag.

Grosse Sorgen macht sich Judith Bellaïche bei der Stromversorgung und verweist auf eine Risikoanalyse des VSB. Darin kommen die Autoren zum Schluss, dass das grösste technische Risiko eine länger andauernde Stromlücke sei. Die sei wahrscheinlich, meint Judith Bellaïche, vor allem nach Beendigung der Verhandlungen über das Rahmenabkommen. Diese drohende Isolierung des Stromnetzes sei verantwortungslos vom Bundesrat.

Nicht die einzige Abhängigkeit vom Ausland

Auch wenn es darum geht, was mit unseren Daten geschieht, verliert die Schweiz ihre Souveränität: Firmen diktieren mit ihren Produkten die Rahmenbedingungen, die EU reguliert den digitalen Bereich. Die Schweiz habe kein Mitgestaltungsrecht und könne schlussendlich nur noch nachvollziehen. Dieser Souveränitätsverlust sei höher als alles, was im Zusammenhang mit dem Rahmenabkommen diskutiert wurde, ist Judith Bellaïche überzeugt: «Die Schweiz ist einfach nur Zaungast».

Die Juristin sieht also an ganz unterschiedlichen Fronten Probleme auf uns zukommen: bei den internationalen Regulierungen, beim Ausbau der Infrastruktur und der Stabilisierung des Stromnetzes. Auch bei der Bildung harzt es, obwohl die ETH und die EPFL Spitzenforschung betreiben.

Ein deprimierendes Bild – könnte man meinen. Doch Judith Bellaïche lacht: Sie hat die Hoffnung nicht aufgegeben. Es sei eben typisch für die Schweiz, da geschehe nie etwas von einem Tag auf den anderen. Es sei immer ein zäher Prozess und ein Ringen um Positionen. Schnellschüsse seien dabei zu vermeiden, etwa bei der E-ID, wo der Bundesrat nach dem Abstimmungs-Debakel bereits wieder ein neues Projekt angekündigt hat. Dabei wisse gar niemand, was die Bevölkerung überhaupt wolle. Um das zu ändern, will Swico im Sommer eine grosse Umfrage lancieren. Denn Digitalisierungsprojekte, die die Bevölkerung tatsächlich will, haben an der Urne grössere Chancen.

SRF 4 News 2.6.2021

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